BundesratStenographisches Protokoll700. Sitzung / Seite 28

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auf europäischer Ebene. Neu geschaffen wurde der Frühwarnmechanismus: Die nationalen Parlamente – und hier beide Kammern nationaler Parlamente – erhalten zugleich mit den Legislativorganen der Union die Vorschläge von der Kommission und können innerhalb von sechs Wochen eine begründete Stellungnahme wegen ver­muteter Subsidiaritätsverletzung einbringen. Das ist komplett neu und eröffnet speziell für den Bundesrat die Chance, auch auf europäischer Ebene eine Mitgestaltungs­mög­lichkeit zu haben.

Das Zweite in diesem Zusammenhang ist, dass auch nach In-Kraft-Treten eines Rechtsaktes der Union künftig Klage wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips mög­lich sein wird. Diese Klage kann auch von beiden Kammern der nationalen Parlamente eingebracht werden.

Alle weiteren wichtigen Punkte nur im Telegrammstil: Die vollinhaltliche Verankerung der Charta der Menschenrechte halte ich für einen ganz wesentlichen Schritt in die richtige Richtung.

Auch die Auflösung der Säulenstruktur und die Schaffung einer einheitlichen Rechts­persönlichkeit ist wichtig, weil damit die Union künftig internationale Verträge ab­schließen kann oder auch der Europäischen Menschenrechtskonvention – ein lange gehegter Wunsch! – beitreten kann.

Auch eine Stärkung der Demokratie durch die Aufwertung des Europäischen Parla­ments zu einem Vollparlament mit Budgethoheit und mit dem Verfahren der Mit­ent­scheidung in allen Rechtsakten ist verankert, sowie letztlich verstärkte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich nach diesem Ausflug in die künftige Politik der Europäischen Union, die aber ganz wesentlich auch unsere Politik prägen wird, auf einige wichtige Punkte eingehen, was die Bedeutung der bevor­ste­henden Erweiterung für Österreich direkt betrifft:

Österreich wird vom Rand der Europäischen Union in die Mitte, ja um es bildlich zu sagen, ins Herz dieser neuen Union rücken. Rund 1 300 Kilometer Außengrenze mit insgesamt vier Ländern unserer Nachbarschaft werden verschwinden. Für uns wird es mehr Rechtssicherheit geben, denn diese Staaten werden den Acquis, also den Rechtsbestand der Europäischen Union, übernehmen. Dadurch ist zu erwarten, dass sich die positive Entwicklung, die seit dem Fall des Eisernen Vorhanges schon ein­gesetzt hat, fortsetzen wird.

Es gibt aber auch – und das möchte ich nicht verschweigen – Punkte, in Bezug auf welche durchaus Ängste und Befürchtungen in der Bevölkerung vorhanden sind. Ich sehe da – ich möchte das nur taxativ aufzählen – vor allem die Gefahr, was die Ar­beitsplätze betrifft, aber auch die steigende Verkehrsbelastung, weiters Probleme in den Grenzregionen oder auch im Bereich der Sicherheit. Das sind Punkte, die wir als verantwortliche Politiker dieses Hauses durchaus sehen müssen und angesichts deren wir Strategien entwickeln müssen, um diesen Problembereichen richtig und gut zu be­gegnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Bemerkung anbringen, die auch eine Reihe von Mitbürgern betrifft. Ich denke hier an das Unrecht, das 300 000 unserer Mitbürger in der jüngeren Geschichte, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, angetan wurde. Die Nachbarstaaten haben dieses Unrecht, das geschehen ist, eingesehen und zumindest auf ideeller Seite auch ver­urteilt. Positiv zu bewerten ist der Schritt der tschechischen Regierung, die unmittelbar nach der Volksabstimmung über den EU-Beitritt Tschechiens dieses Unrecht einge­standen und verurteilt hat. Aber ein nächster Schritt in diesem Zusammenhang muss


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