BundesratStenographisches Protokoll700. Sitzung / Seite 38

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aller dieser Stämme tatsächlich eine sehr, sehr schwierige, und diese Menschen leben zum Teil unter menschenunwürdigen Bedingungen. Da aber die Slowakei im Verhältnis zur sonstigen Bevölkerung den größten Roma-Anteil in ganz Europa hat, ist es auch notwendig, dass Europa diesem kleinen und verhältnismäßig armen Land hilft, weil es nicht imstande sein wird, dieses Problem allein zu lösen.

Ich möchte auch kurz etwas zu dem hohen Prozentsatz an Pro-Stimmen bei allen Re­ferenden sagen, die zeigen, dass die Menschen in diesen Ländern entschlossen sind, an der Entwicklung der Union teilzuhaben und von ihr zu profitieren. Allerdings zeigt die geringe Beteiligung an den Abstimmungen in mehreren der Beitrittsländer, dass auch große Unsicherheit über die Vor- und Nachteile eines Beitritts besteht. Tat­sächlich wird es ja auch so sein, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen gleich positiv abschneiden werden, und es stellt sich für sie, aber auch für uns die Frage, ob die Erweiterung zu einer Nivellierung nach unten bei Löhnen, Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen führen wird.

In diesem Bereich gibt es bei uns starke Befürchtungen, die auch von den Interes­sen­vertretungen artikuliert worden sind. Es ist kein Zufall, dass die Arbeiterkammer gerade jetzt wieder verstärkt Maßnahmen gegen die organisierte illegale Beschäftigung und für eine aktive, beschäftigungsorientierte Wirtschafts-, Struktur- und Budgetpolitik verlangt hat. Auch eine gezielte grenzüberschreitende Regionalentwicklungspolitik und eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur werden als vordringlich eingestuft. – Wir schließen uns dem vollinhaltlich an.

Die Zeit bis zum tatsächlichen Beitritt und bis zum Auslaufen der Übergangsfristen muss intensiv genützt werden. Sehr wichtig erscheint mir eine gute Zusammenarbeit mit unseren Nachbarländern, mit denen wir gemeinsam anstehende Probleme lösen sollten. Es sollte sich auch die Möglichkeit ergeben, in den EU-Gremien so oft wie möglich zusammenzuarbeiten. Leider ist in den letzten Jahren einiges an Porzellan zer­schlagen worden, und manche unserer Freunde haben sich mehr Unterstützung bei ihren Bestrebungen erhofft. Ich hoffe aber sehr, dass es zu einer sachorientierten Zu­sammenarbeit kommen wird, die von wesentlich positiveren Emotionen getragen sein sollte als bisher.

Das entspräche unserer gemeinsamen Geschichte, die natürlich eine schwierige ist, aber es müssen sich alle Völker bewusst sein, dass sie irgendwann nicht nur Opfer, sondern auch Täter waren in dieser langen gemeinsamen Geschichte, die einen viel­leicht mehr Opfer, die anderen mehr Täter; auch das wechselt im Laufe der Ge­schichte. Jedes Volk muss sich mit den dunklen Seiten seiner eigenen Geschichte konfrontieren. Das ist sehr unangenehm, das wissen wir, und es ist auch sehr schmerzvoll, weil auch die, die jetzt hier kritisiert werden, viel Leid erfahren haben. – Auch meine Familie, eine tschechische Familie, ist von den Nazis im besetzten Tschechien verfolgt worden, es sind Verwandte von mir von den Nazis getötet worden.

Es gibt also sehr viel Trauriges auf beiden Seiten aufzuarbeiten. Aber wir müssen auch unsere enge kulturelle Verbundenheit sehen und unsere Lage mitten in Europa, die unsere Interessen sehr stark mitbestimmt.

Die EU steht vor einer neuen Entwicklung. Die Integration der zehn neuen Mitglied­staaten wird nicht leicht sein. Die Fragen der Demokratie und der Mitbestimmung der kleinen Staaten müssen gelöst werden; Kollege Tusek hat das hier ja bereits ange­sprochen, und auch im EU-Konvent ist das ein wichtiges Thema. All diese Fragen, auch die sozialen Fragen, die Fragen einer gemeinsamen Sozialpolitik, einer gemein­samen Finanzpolitik, müssen gemeinsam in Angriff genommen werden, wenn die EU Bestand haben soll. Es besteht sonst die Gefahr, dass durch die Globalisierung die im internationalen Vergleich humaneren westeuropäischen Sozialsysteme zerstört wer-


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