Wir haben – und ich halte das unter den gegebenen Umständen noch für die relativ akzeptabelste Lösung, außer für den Betroffenen möglicherweise – einen Jugendrichter, der sich sozusagen in einen Wanderrichter verwandelt und in einem relativ großen Bereich seine Sachkompetenz, die er sich erworben hat – es geht ja um eine konkrete Person –, als Jugendrichter beim jeweiligen Bezirksgericht mit einer unterschiedlich starken Inanspruchnahme weitergibt oder ausübt. Das ist immer noch die bessere Lösung vom Standpunkt des Jugendlichen und des Jugendgerichtsverfahrens, als jeweils Bruchteile eines Richters zum Jugendrichter zu erklären, dem natürlich das spezifische Wissen, die spezifische Erfahrung fehlen muss. Es hat jeder Mensch auch Grenzen in seiner Kapazität der Lernfähigkeit. (Bundesrat Dr. Kühnel: Warum trauen Sie das einem Richter nicht zu? Sich neue Bereiche zu erarbeiten liegt doch im Wesen der Intellektualität!)
Das Wesen, Herr Kollege, ist das der Spezialisierung. Wir haben hier, so wie auch in vielen anderen intellektuellen Bereichen – das gilt ja auch für die ganze Gesundheitsdiskussion, die wir führen – das Problem, dass eben die Ausübung der Jugendgerichtsbarkeit nicht etwas ist, das man zwei Mal im Jahr mit der vollen Virtuosität „aus dem Ladel“ herausholt, sondern dass das jener wirkungsvoller tut, der mit dieser Tätigkeit vertraut ist. Genauso wissen wir etwa, dass in kritischen und akuten Fällen kleine Spitäler manchmal überfordert sind, weil der im Moment zu behandelnde Fall dort nur alle heiligen Zeiten einmal auftritt, während er in Mittelpunkt- und Universitätsspitälern häufig behandelt wird und daher mehr Erfahrung vorliegt. Herr Kollege! Das hat nichts mit dem intellektuellen Interesse der Betroffenen zu tun, das ist einfach eine unumstößliche Lebenserfahrung. (Bundesrat Dr. Aspöck: Daraus folgt dann aber die Abschaffung der Bezirksgerichte, weil an ihnen keine Spezialisierung erfolgen kann!)
Unsere Justizpolitik hat tatsächlich immer beinhaltet, dass Spezialgerichte, wenn sie einrichtbar sind, einen höheren Standard der Rechtspflege erreichen können, was auch die internationale Erfahrung und eben auch die internationale Anerkennung der österreichischen Jugendgerichtsbarkeit zeigt.
Die Universalgenies gibt es, aber sie sind
selten. (Bundesrat Dr. Aspöck:
Bei der Zusammenfassung der Gerichte hat Ihnen der Herr Minister erklärt, wie
dies zur Spezialisierung führt!) – Herr Kollege! Sie können sich
gerne zu Wort melden. Ich bin auch bereit, auf Zwischenrufe einzugehen, aber
meine Bereitschaft, zu warten, bis Ihre Zwischenrede abgeschlossen ist, ist
limitiert. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das ist keine Rede!)
Die Spezialgerichte haben einen hohen Standard. Auch das Handelsgericht hat einen bekannt hohen Standard und eine immer noch hohe Kapazität, obwohl es nun auch einen schlechten Standort hat. Ich glaube, wir sollten uns sehr gründlich darüber unterhalten, ob hier unter der Behauptung, Privilegien abzuschaffen, nicht Ansätze, bei denen vielleicht erst nach intensivem Nachdenken eine Verallgemeinerung erreicht werden kann, zerstört werden.
Für den Raum Linz ist diese Jugendgerichtsbarkeitsregelung mit Sicherheit ein dramatischer Rückschritt. Es ist außerordentlich dürftig, was Ihnen in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dazu eingefallen ist. Natürlich ist ein nicht mehr in der Mittelpunktstadt Linz gelegenes Bezirksgericht nicht geeignet, als Jugendgericht für einen größeren Raum zu fungieren. Das ist sogar jenen, die das verfasst haben, aufgefallen. Daher heißt es in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, die Schaffung einer Sonderzuständigkeit des Bezirksgerichtes Linz – was für die genannten Angelegenheiten logisch gewesen wäre! – liege nicht im Interesse der Parteien und sonstigen Verfahrensbeteiligten. – Das ist eine kühne Behauptung, denn genau dieser Schritt hätte eine Lösung sein können.
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