Herr Bundesminister! Ich habe Ihnen sehr aufmerksam in Ihrem Versuch einer Replik zugehört. Und in Wirklichkeit ist mir spontan nur ein Satz eingefallen: Wir haben im Österreich-Konvent die Frage diskutiert, wie das mit der Immunität sei, und ich habe dort – ich bin ein großer Gerechtigkeitsfanatiker – die Meinung vertreten, wenn Abgeordnete und Bundesräte in dem, was sie in offener parlamentarischer Verhandlung sagen, immun sind, dann wäre es eine Frage der Waffengleichheit, dass all jene, die berechtigt sind, in einer Sitzung des Nationalrates oder des Bundesrates das Wort zu ergreifen, für ihre Ausführungen dort dieselbe Immunität geltend machen können sollten. Das ist eine theoretische Diskussion in einem Arbeitskreis des Österreich-Konvents gewesen, Herr Bundesminister, nicht die gesetzliche Realität, und ich fühle mich nach Ihren Ausführungen hier ganz leidenschaftslos dazu veranlasst, zu sagen: Herr Bundesminister, Sie sollten bedenken, dass Sie in Ihren Ausführungen hier keine Immunität beanspruchen können. Was Sie über Herrn Dr. Jesionek gesagt haben, ist in einem derartigen Maß beleidigend und ehrenkränkend und in einem derartigen Maß unrichtig, dass es zweifelsfrei vor Gericht ein Nachspiel haben könnte, wenn Herr Dr. Jesionek Wert darauf legt, mit Ihnen in diesem Forum die Klingen zu kreuzen.
Sie haben sich die Taktik zurechtgelegt, einen Bösewicht zu erfinden, nämlich den, der tatsächlich den internationalen Ruf der österreichischen Jugendgerichtsbarkeit begründet hat, und Sie legen da, so als wäre das selbstverständlich, jede Woche noch ein Schäuferl nach. Beim nächsten Mal ist es also vermutlich Herr Dr. Jesionek, der jugendliche Strafgefangene eigenhändig gefoltert und gequält hat. Diese Darstellung des Sachverhaltes der Auflösung des Jugendgerichtshofs Wien, Herr Bundesminister, ist eine skandalöse Verdrehung der Wahrheit, die einfach nur in aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden kann! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Aspöck: Das ist eine bewusste Missinterpretation der Äußerungen des Ministers!)
Es gibt Auswirkungen dieses Schrittes für die jugendlichen Strafgefangenen, und ich weiß nicht, worin die Vermischung kritikwürdig sein soll. Es hat beim Jugendgerichtshof Wien ein unzureichendes Gefangenenhaus gegeben. Es gibt jetzt eine absolut unzureichende und auf die Besonderheit der Jugendlichen, auf ihre schwache Position in der Gefängnishierarchie nicht Rücksicht nehmende Haft im Verband des Landesgerichts, wo es bereits zu Vorfällen gekommen ist, die auch die Öffentlichkeit erreicht haben, die alarmierend sein müssten, aber es offenbar für den Herrn Bundesminister nicht sind.
Ich sage Ihnen in aller Ruhe: Jene merkwürdige Art von Gerechtigkeitsgefühl, die Sie hier zum Ausdruck gebracht haben und die uns in anderen Bereichen seitens dieser Bundesregierung immer wieder begegnet, verdient es einmal, analysiert zu werden. Wie verläuft denn gesellschaftliche Entwicklung? – Gesellschaftliche Entwicklung, ganz egal, ob es um den Tierschutz, die Justiz oder das Arbeitsrecht geht, verläuft in aller Regel so, dass es dort, wo günstige Rahmenbedingungen zusammentreffen, möglich ist, einen Schritt nach vorne zu setzen. Und dieser Schritt nach vorne ist eine Aufforderung an alle anderen, ihn nachzuvollziehen. Es ist eine Binsenweisheit, dass es in Ballungsräumen, in denen geradezu in jedem Bereich die Zahl der Fälle größer ist, einfacher ist, spezifische Maßnahmen zu treffen. Ein Jugendgerichtshof beim Bezirksgerichtssprengel Ravelsbach – falls der noch nicht aufgelöst ist, er fällt mir nur so spontan ein (Bundesrat Dr. Böhm: Gibt es nicht mehr!) – gibt es nimmer, na gut, beim Nachfolgegericht wird es auch nicht anders sein – lastet naturgemäß nicht einmal den Bruchteil eines Jugendrichters aus. Im Raum Wien ist – man kann auch sagen: bedauerlicherweise – ein derartiger Jugendgerichtshof mit zahlreichen Richtern sehr wohl ausgelastet gewesen. Die Frage ist, ob es wirklich der richtige Weg ist, gut funktionierende Lösungen, die nicht einfach übertragbar sind, deshalb weil sie nicht übertragbar sind, einfach aufzuheben. Und genau das passiert ja nun.
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