Bundesrat Stenographisches Protokoll 703. Sitzung / Seite 84

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führende Nationen. Mit Stand 2003 sind 3 700 Gefangene in Amerika zum Tode ver­urteilt. Kollege Hagen hat das angesprochen: Was kostet so ein Strafvollzug? Es gibt auch dazu Untersuchungen. In Amerika betragen die Kosten für eine Hinrichtung so viel wie die Haftkosten eines Gefangenen für 40 Jahre – das sind ungefähr 23 Mil­lionen.

Meine Damen und Herren! Das macht uns zu schaffen und nachdenklich, was da mit Amerika los ist. Und vor allem in einer Frage müssen wir ein ganz besonderes Be­dauern ausdrücken: Die USA haben die Kinderrechtskonvention bis zum heutigen Tage nicht unterzeichnet. Wissen Sie, warum? – Weil es den Vereinigten Staaten die Möglichkeit nehmen würde, Todesurteile an Minderjährigen zu vollziehen. Deswegen ist Amerika neben Somalia nicht bereit, diese Konvention zu unterzeichnen. Es gibt nur zwei Länder auf der Welt, die die Kinderrechtskonvention nicht unterzeichnet haben, um sich die Möglichkeit offen zu halten, die Todesstrafe auch an Minderjährigen zu vollziehen.

Kollege Liechtenstein hat gesagt, es gab 107 Justizirrtümer alleine in den Vereinigten Staaten. Die Frage ist, ob das alles ist. Ich möchte Ihnen dazu nur einen Satz von Albert Camus, einem viel zu jung verstorbenen Dichter, vorlesen, der meint: „Die Todesstrafe ist der vorsätzlichste Mord, mit dem kein geplantes Verbrechen verglichen werden kann. Um einen Vergleich zu ziehen: Die Todesstrafe müsste einen Verbrecher bestrafen, der sein Opfer vorher genau über den Zeitpunkt seines Todes informieren würde und es von diesem Zeitpunkt an auf Gnade und Ungnade ausgeliefert wäre. Im gewöhnlichen Leben aber findet man eine solche Bestie nicht.“

Meine Damen und Herren! Damit geht ein Signal aus, das wir heute hier setzen, auch von Österreich, auch von der übrigen Europäischen Gemeinschaft.

Herr Kollege Liechtenstein hat mich herausgefordert, noch einen kleinen dialogischen Exkurs mit ihm aufzunehmen. Sie haben völlig Recht: Wenn man die Religionen ver­gleicht, dann steht das Christentum der Frage der Todesstrafe tatsächlich am ent­ferntesten. Die lutherische Kirche zum Beispiel sagt, das Gebot „Du sollst nicht töten!“ bedeutet, dass das nicht nur für Einzelpersonen gilt, sondern auch für Gemeinschaften, und daher verhindert es dieses eine Gebot, dass der Staat die Todesstrafe vollziehen kann.

Die katholisch-christliche Lehre sagt auch: Wenn man die Todesstrafe anwendet, würde man den Weg der christlichen Lehre verlassen, denn gerade die christliche Lehre besagt, dass jeder, der eine Sünde begangen hat, die Chance und auch die Möglichkeit haben muss, echte Reue zu zeigen und auch einen Neubeginn zu starten. Würden wir davon abgehen, dann würden wir hier ganz entgegen diesem christlichen Grundwert handeln.

Der deutsche Bischof Kruse meinte einmal: Wenn wir als Christen nicht daran glauben, dass sich jeder Mensch ändern kann, dann leugnen wir die Kraft des Evangeliums. – Insofern, muss man sagen, ist die Todesstrafe vom christlichen und vom abendländi­schen Denken am weitesten entfernet. Und ich erinnere Sie nur an eines: Niemand anderer beruft sich ständig auf das Christentum als die amerikanische Regierung! Ich hoffe, dass auch dort einmal der Funke des Verstandes aufgehen wird. – Danke. (All­gemeiner Beifall.)

13.40

 


Präsident Hans Ager: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

 


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