Bundesrat Stenographisches Protokoll 703. Sitzung / Seite 118

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15.46

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich mir den Bericht über die soziale Lage näher angesehen habe, ist mir das Kapitel über Armut und Armutsgefährdung ins Auge gestochen. Dieses Kapitel ist in einem wohlhabenden Land nicht sehr attraktiv, aber auch darüber sollte man nachdenken und etwas sagen.

Wenn man über Armut und Armutsgefährdung redet, dann meint man eigentlich immer nur die Gruppe der Obdachlosen, aber das ist natürlich ein völliger Trugschluss. (Bun­desrätin Bachner: So ist es!) Armut und Armutsgefährdung bleiben in Österreich – wenn auch natürlich in einem wesentlich geringeren Maße als in den anderen EU-Staaten – ein ernstes Problem und eine Herausforderung, überhaupt für die Sozial­politik.

Damit man weiß, wovon man redet: Ende der neunziger Jahre – und diese Zahlen haben sich nur geringfügig geändert – waren in Österreich 900 000 Personen, das sind 11 Prozent der Bevölkerung, von Armutsgefährdung betroffen, davon 340 000 von akuter Armut. Und damit man auch da weiß, wovon man redet: Armutsgefährdung bedeutet 60 Prozent des Medianeinkommens. Dieses liegt jetzt bei 667 €, und davon haben diese Leute nur 400 €! Dazu kommen bei der aktuellen Armut noch alle Dinge des täglichen Lebens, sprich Wohnung, Heizung und so weiter, und das erschwert das Ganze noch zusätzlich.

Besonders betroffen – einige Gruppen sind ja schon angeführt worden – sind unbe­schäftigte Alleinerziehende, Personen in Haushalten ohne Beschäftigung, allein leben­de ältere Personen, langzeitarbeitslose Frauen und, nicht zu vergessen, kinderreiche Familien. Der Zusammenhang zwischen Armut und sozialer Ausgrenzung ist beson­ders ausgeprägt – auch das darf man nicht vergessen –, und ebenfalls der Zusam­menhang, was den Gesundheitszustand betrifft.

Trotz hoher Effektivität der großen Sozialleistungen der Regierung bei der Linderung des Armutsrisikos – das muss man auch sagen! – können Teile dieser Bevölkerungs­gruppen der Armut oft nur schwer entrinnen. Es müssten daher Modelle sozialer Grundsicherung weiterentwickelt werden. Dies hat zur Folge, dass in EU-Staaten nationale Aktionspläne zur sozialen Einschließung und zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung geschaffen worden sind. So gibt es zahlreiche Maßnahmen der Regierung, die sich dieser Armutsprävention widmen.

Die Bildungspolitik gehört neben der Sozial- und Wirtschaftspolitik mit Sicherheit zu den Grundpfeilern der Armutsbekämpfung und der Bekämpfung sozialer Ausgrenzung. Unser Bildungssystem in seiner Vielfalt – das wissen wir alle – ist auch europaweit wirklich als sehr gut zu bezeichnen. Es gibt Verbesserungen bei Jugendlichen mit un­zureichendem Schulerfolg, bei körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, bei ge­schlechtsspezifischen Barrieren sowie beim Ausbau der Kommunikationstechnologien.

Bezüglich des Erwerbslebens muss die Vollbeschäftigung das Ziel der Regierung blei­ben. Die Bekämpfung von Langzeit-, Frauen- und Jugendarbeitslosigkeit ist und muss auch weiterhin das Hauptziel bleiben, um dem entgegenzuwirken. Es gibt zahlreiche Schwerpunkte. Besonderes Augenmerk ist bei armutsrelevanten Maßnahmen auch den regionalen Gegebenheiten zu schenken. Für die Vereinbarkeit von Familie und Be­ruf spielen zahlreiche Maßnahmen eine große Rolle. Finanzielle Absicherung, Kinder­betreuungseinrichtungen und Erwerbschancen sind hier besonders zu vernetzen.

Gesundheitspolitik – ich habe sie schon angesprochen – verfolgt das Ziel, einen glei­chen Zugang zu den medizinischen Versorgungsleistungen zu ermöglichen. Es dürfen keine unterschiedlichen Leistungen nach sozialem Status, Alter, Einkommen und so weiter – die Liste ließe sich fortführen – erfolgen. Es geht darum, unser gutes System


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