Bundesrat Stenographisches Protokoll 703. Sitzung / Seite 117

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Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Bundesrates! Schaut man sich die Entwicklung bei den armutsgefährdeten oder in akuter Armut lebenden Menschen an – und ganz besonders die Entwicklung bei den Frauen, weil sie noch um 13 Prozent höher betroffen sind als die Männer –, dann muss man sich fragen: Worauf ist diese Entwicklung zurückzuführen?

Für mich ist der Befund relativ einfach zu erstellen: Diese Entwicklung zeigt mittlerweile die Auswirkungen der Belastungspolitik, die in den letzten Jahren gemacht wurde. Das dürfen wir hier in diesem Raum nicht vergessen, und das schlägt sich auch in den sehr fundiert aufgelisteten Zahlen nieder. Da spiegelt sich dann in den Zahlen die Wahrheit wider: Unfallrentenbesteuerung, Ambulanzgebühr; Wegfall der kostenlosen Mitver­sicherung; allein die Pensionsreform 2000 hat eine Leistungskürzung um 1,3 Milliar­den € bedeutet; die zu niedrigen Pensionsanpassungen über all die Jahre hinweg. Und: der rapide Anstieg der Arbeitslosenzahlen!

Als besonders treffsicher für die sozial Schwachen erwies sich jedoch die Kürzung der Familienzuschläge zum Karenzgeld, zum Arbeitslosengeld und zur Notstandshilfe. Die für unterhaltsberechtigte Angehörige gezahlten Zuschläge wurden mit dem Treffsicher­heitspaket von 49 € auf 29 € im Monat herabgesetzt. Für Arbeitslose mit Kindern führt allein diese Maßnahme nicht selten zu Leistungskürzungen um 10 Prozent. Das schlägt sich natürlich in den Zahlen dieses Berichtes nieder.

Damit habe ich mich wirklich nur auf wenige Beispiele bezogen. Aber ich kann auf Grund der vorhergehenden Debatte natürlich auch bestätigen – wenn man sich in die­sem Bericht zur sozialen Lage das Thema Frauen genau anschaut, und zwar jetzt nicht nur im Unterschied zu den Männern; man soll es ja nicht immer nur an den Männern messen –, wie die Frauen in unserem Land leben und welche Voraussetzungen sie haben, wenn sie Kinder zu betreuen haben, wenn sie Alleinerzieherinnen sind.

Ich möchte das Kinderbetreuungsgeld nicht unbedingt nur in die negative Ecke stellen, es ist für viele, viele Frauen sicher eine Errungenschaft und eine Hilfestellung, kein Zweifel. Aber es bedeutet auch viele Gefahren, und davor soll man die Augen nicht verschließen! Wir wissen, aus dem derzeitigen Unterschied vor allem bei den Einkom­men resultieren die weiteren Lebenssituationen bis zum Alter, weil ja die Pensionen – aber, falls es bei Berufsunterbrechungen notwendig ist, auch die Leistungen dazwi­schen – aus der Einkommenssituation resultieren. Das heißt, dass genau diese Maß­nahmen die Situation der Frauen in diesem Land noch prekärer machen. Ich denke mir, dass da wirklich die Zeit gekommen ist, gegenzusteuern.

Natürlich schaut so ein Bericht sehr nüchtern aus. Das sind Zahlen, das sind Daten, und sie machen einen beim Lesen wenig betroffen. Ich kann Ihnen aber sagen, ich habe in meiner langjährigen Gewerkschaftstätigkeit sehr viel mit Beratungstätigkeit und zu einem hohen Prozentsatz vor allem mit Beratungstätigkeit für weibliche Mitglieder zu tun gehabt. Wenn man sich die Schilderungen der Lebenssituation dieser Frauen anhört, wenn man sich die Lebensumstände dieser Frauen ansieht, dann kann ich nur sagen: Es ist höchst an der Zeit, dass sich die Politik ändert und dass die Regierung ihren Zugang zur Politik ändert!

Ich fürchte mich schon vor dem nächsten Bericht, denn dort werden wir die Auswirkun­gen der Pensionsreform 2003 zu sehen bekommen, und da werden die Zahlen wesent­lich grausamer ausschauen, als sie jetzt schon sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.45

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 


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