Man muss sich in diesem Zusammenhang fragen: Was haben denn die vorzeitigen Neuwahlen gebracht? – Ich habe damals hier vom Rednerpult aus gesagt, dass sie zwei Dinge gebracht haben, nämlich: eine Veränderung der Kräfte innerhalb der Bundesregierung und den Bundestierschutz. – Damals haben Sie alle applaudiert, heute nicht.
Jetzt haben wir den Entwurf eines Bundestierschutzgesetzes, aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren – und auch die öffentliche Diskussion zeigt das –: Das, was derzeit vorliegt, ist eine Karikierung dessen, wofür diese Menschen seit 1996 und länger eingetreten sind. Dieser Entwurf zum Tierschutzgesetz ist ein Skandal!
Im österreichischen Tierschutzbereich – und das sagen Rechtsexperten; lassen Sie mich noch einen kleinen gedanklichen Ausflug machen – herrscht ein Vollzugsnotstand. Tierschutzvergehen gelten in Österreich als Kavaliersdelikte. Wissen Sie, wie hoch der Prozentsatz von Anzeigen wegen Tierquälerei ist? – 0,0002 Prozent! Das heißt in anderen Zahlen: Nur jede fünftausendste Tierquälerei kommt überhaupt zur Anzeige! Ganz anders als in allen anderen Strafsachen gibt es nur 12 Prozent Verurteilungen. – Die Mathematiker unter Ihnen können dann weiter rechnen, was ein Zwölftel von 0,0002 ist.
Dabei ist die Aufnahme von Tierrechten in den Rechtskodex eine uralte Materie. Im Kodex Hammurabi – der Herr Professor Böhm lächelt; er weiß, wovon ich rede; das ist der älteste Rechtskodex des Königs von Babylon und stammt aus der Zeit von ungefähr 1600 vor Christi – ist zum ersten Mal festgeschrieben worden, dass es einen Unterschied zwischen Personen, Tieren und Sachen gibt. In Österreich aber und auch in der EU wurde in den letzten Jahrzehnten zwischen Tieren und Sachen keine Trennung vorgenommen. Gerade im Nutztierbereich ist das Tier nur ein Produktionsfaktor, und seit Jahrzehnten ist das die Grundlage, die ideelle Grundlage der Massentierhaltung und damit der – sagen wir es so, wie es ist – Tierquälerei.
Der Agrarbereich kennt und will ihn nicht, und genau deshalb wehrt sich auch die ÖVP so, der Agrarbereich will keinen individuellen, sondern nur einen kollektiven Tierschutz. Was heißt „kollektiver Tierschutz“? – Das Tier ist nur Teil der Produktionsstätte.
Genau deswegen haben Hunderttausende Menschen unterschrieben! Sie wollen eine Tieranwaltschaft, und zwar eine Tieranwaltschaft, die von sich aus Rechte erklärt und einklagt. Aber dieser vorliegende Entwurf, meine Damen und Herren, hat, so heißt es in der politischen Sprache, hat blinde Flecken, und zwar blinde Flecken überall dort, wo es um den Agrarbereich, um den Landwirtschaftsbereich geht. Dieser Entwurf hat aber nicht blinde Flecken, er hat eine epidemische Blindheit durch den gesamten Entwurf hindurch. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)
Dass die Forderung nach einer Tieranwaltschaft keine Traumtänzerei ist, meine Damen und Herren, zeigen einige Beispiele im nahe gelegenen Ausland. Gerade hier wird ja immer die Schweiz in vielen Debatten als so vorbildlich gelobt. Der Kanton Zürich hat einen eigenen Rechtsanwalt für Tierschutz in Strafsachen. In der Schweiz wurde der Kreatur unmittelbares Recht zugesprochen, und Deutschland hat ein Grundgesetz geschaffen, genau das, was wir für Österreich seit Jahrzehnten fordern. Das heißt, der Staat schützt auch in der Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere. Das ist eine Formulierung, die Sie uns nicht geben wollen. Diese Formulierung wollen Sie uns auch in diesem Entwurf, der nun vorliegt, nicht geben.
Ein Rechtsgut Tierschutz bedeutet, meine Damen und Herren, dass der Tierschutz für die Staatsorgane bindend wird, und daher ist es notwendig, eine solche Staatszielbestimmung zu machen.
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