Bundesrat Stenographisches Protokoll 705. Sitzung / Seite 13

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Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr

 


Präsident Jürgen Weiss: Ich eröffne die 705. Sitzung des Bundesrates.

Antrittsansprache des Präsidenten

 


9.01

Präsident Jürgen Weiss: Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Halbjahr fällt der Vorsitz im Bundesrat und in der Landes­hauptleute­konferenz dem Bundesland Vorarlberg zu. Ich entbiete Ihnen allen den herzlichen Gruß unseres Landes!

Gestern hat in diesem Haus ein beeindruckendes wissenschaftliches Symposion zu den Februarkämpfen des Jahres 1934 stattgefunden. Es hat gezeigt, wie notwendig Parlamente für eine Kultur der Dialogfähigkeit sind und welche Verantwortung darauf lastet, den letzten Gesprächsfaden niemals abreißen zu lassen.

Angesichts dessen, dass jede Zeit und jede Gesellschaft ihre eigenen Versuchungen hat, sind solche Gedenktage unabhängig von der Aufarbeitung von Verantwortung ein wichtiger Beitrag, Wachsamkeit zu üben. Den Opfern jener unseligen Zeit gilt unser respektvolles Gedenken.

Um dem Klischee der nüchternen Alemannen Rechnung zu tragen, ist das heute der Form nach eine ganz schlichte Vorsitzübernahme. Das fällt mir deshalb sehr leicht, weil es für mich keine Premiere ist. Ich sehe meine Aufgabe tatsächlich auch in erster Linie darin, die Bürde der vorsitzführenden Koordination der Ländermitwirkung an der Bundesgesetzgebung zu übernehmen. Die Würde des Amtes hat dabei eine dienende Funktion.

Der im letzten Jahr eingerichtete Österreich-Konvent befasst sich naturgemäß auch mit der Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung im Allgemeinen und mit der Stellung des Bundesrates im Besonderen. Die bisherigen Beratungen machen deutlich, dass sich in beiden Bereichen an der bis in das Jahr 1920 zurückreichenden Gegen­sätzlichkeit der Konzepte noch nichts Wesentliches geändert hat.

Anders als damals lassen sich die unterschiedlichen Standpunkte heute allerdings nicht mehr schematisch politischen Lagern zuordnen. Sie sind in allen Interessen­grup­pen bis hin zu den Ländern selbst breit gestreut. Es ist daher noch nicht absehbar, ob und welche Reformvorstellungen Übereinstimmung finden werden. Sie beschränkt sich derzeit offenkundig darauf, dass die bisherige Ländermitwirkung an der Bundesgesetz­gebung auch weiterhin durch einen Bundesrat als zweite parlamentarische Kammer erfolgen soll. Das mag vor allem für jene wenig erscheinen, die ihr Konzept auf die For­mel „Reformieren oder abschaffen“ beschränken und dabei mit Schalmeientönen einer angeblich gewaltigen Einsparung locken. Ich halte beides für einen Trugschluss, weil einerseits das Einsparungsvolumen maßlos überschätzt wird und auch für eine Aus­dünnung von Gewaltenteilung und parlamentarischer Kontrolle letztlich ein hoher Preis zu zahlen ist. Andererseits bekämen die Länder damit keine wirkungsvollere, sondern wohl überhaupt keine parlamentarische Einflussmöglichkeit auf die Bundesgesetz­ge­bung.

Dazu kommt, dass nach dem in diesem Punkt unbestrittenen Verfassungsentwurf der Europäischen Union die Landtage von den neuen Mitwirkungsrechten in der Subsidi­aritäts­prüfung und vom Klagerecht beim Europäischen Gerichtshof nur im Wege eines nationalen Parlaments, in unserem Fall des Bundesrates, Gebrauch machen können.

 


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