Bundesrat Stenographisches Protokoll 706. Sitzung / Seite 110

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Das Grundkonzept, das die rechtliche Gesamtverantwortung des Staatsanwaltes über den gesamten Zeitraum des Vorverfahrens vorsieht, ist daher zu begrüßen und wurde von uns auch immer vertreten.

Umso bedauerlicher ist es aber, dass das Ergebnis für uns nicht befriedigend ist. Es sind mehrere Bereiche, wo die Mangelhaftigkeit der Regelungen uns so gravierend erscheint, dass wir nicht zustimmen werden können.

Die Aufgaben des Staatsanwaltes sind gewachsen und haben sich auch verändert. Im Rahmen der Diversion kommen ihm auch sanktionierende Aufgaben zu, und durch das neue Vorverfahren wird er koordinierende und kontrollierende Aufgaben neu dazube­kommen. Wir vertreten daher die Ansicht, dass die staatsanwaltschaftlichen Behörden an der Spitze einen weisungsfreien Generalprokurator oder Bundesstaatsanwalt haben sollten. Das heißt also, wir sind nicht der Auffassung, dass jetzt der einzelne Staatsan­walt weisungsfrei gestellt sein sollte, sehr wohl aber die Behörde. Und ich verstehe nicht, warum das jetzt in diesem Gesetz nicht umgesetzt wird. Es ist doch etwas, was lange Zeit, gerade von der ÖVP, verlangt worden ist! Die jetzt getroffene Lösung ist in sich nicht konsequent.

Um dem Vorwurf zu entgehen, dass das Weisungsrecht des Ministers missbraucht werden könnte, wird in den Fällen, in denen ein besonderes öffentliches Interesse wegen der Bedeutung der Straftat und der Person des Tatverdächtigen besteht, der Staatsanwalt eine gerichtliche Beweisaufnahme zu beantragen haben. Das bedeutet, dass dann ein Richter ermittelt.

Diese Unterscheidung ist an sich für uns nicht einsichtig. Wenn Sie der Auffassung sind, dass in Zukunft der Staatsanwalt der Herr des Vorverfahrens sein soll – und wir unterstützen das auch –, dann sollte er es immer sein, also auch in den so genannten clamorosen Fällen, wie das damals Minister Foregger genannt hat – und dieser Be­griff ist ja inzwischen sprichwörtlich geworden.

Es stellt sich für uns die Frage, wann dieser Fall eintritt. Sie, Herr Minister, haben bei einer Gelegenheit gesagt, dass man das schon allein am Medieninteresse bemerkt. – Wahrscheinlich ja, aber mir erscheint das zu unpräzise und zu beliebig, und gerade im Strafverfahren sollte es keine Beliebigkeiten geben.

Zur Rolle des Staatsanwaltes und zur Frage der Dienstposten wird dann meine Kolle­gin noch genauer Stellung nehmen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Zahlen über die notwendigen zusätzlichen Dienstposten sehr weit auseinander gehen, und ich möchte daher auch in diesem Zusammenhang davor warnen, dass vielleicht nicht sorgfältig genug vorgegangen wird. Das Strafverfahren ist eine so ernste Sache, die Konsequenzen können so schwerwiegend sein, dass bei Dienstposten sicher nicht gespart werden darf.

Wir machen uns auch Sorgen wegen der Beschuldigtenrechte – es ist vielleicht nicht populär, aber das ist ein sehr wichtiger Punkt für uns. Im Gesetzesbeschluss steht ja bereits im ersten Abschnitt, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt, und ich finde das auch wichtig, dass darauf hingewiesen wird. Aber ich habe nicht den Ein­druck, dass das auch voll und konsequent durchgezogen ist. Natürlich muss sich der Staat den Bedrohungen, die sich durch Terrorismus und organisierte Kriminalität er­geben, stellen – und gerade der demokratische Staat muss das, im Interesse der Demokratie und im Interesse der Menschen. Wir haben ja mit großer Erschütterung zur Kenntnis nehmen müssen, was in Spanien passiert ist, und wir sind alle sehr davon betroffen. Das ändert aber natürlich nichts daran, dass wir uns fragen müssen, ob nicht wegen der notwendigen Bekämpfung organisierter Kriminalität und des Terrorismus überschießende Maßnahmen getroffen werden.

 


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