Zweidrittelmehrheit hat etwas Souveräneres, Saubereres beziehungsweise auch etwas Unabhängigeres an sich, wenn dieses Weisungsrecht eben woanders als beim Justizminister angesiedelt ist.
Zu kritisieren ist auch, dass es mangelnde Rechte der Beschuldigten gibt. Von Kollegin Auer ist ja zuvor bereits auf die Verteidigerrechte eingegangen worden. Generell muss man da doch einmal auch ansetzen bei den Punkten, was die persönlichen Freiheiten und den Schutz des Hausrechtes betrifft.
Auch über die Tatsache, dass es bis jetzt einer richterlichen Bewilligung für Festnahmen oder Hausdurchsuchungen bedurfte, darüber in Hinkunft jedoch die Staatsanwaltschaft zu entscheiden hat, sollte noch diskutiert werden. Zugegeben: Es ist natürlich schwierig, die richtige Balance zwischen der Effizienz der Justiz und der Achtung der Menschen- und Grundrechte zu finden. Trotzdem müsste man sich natürlich genauer ansehen, wie denn diese Strafprozessreform im Zusammenhang mit der Dominanz der Polizei zu sehen ist, wo dann all das vielleicht nicht gewährleistet sein könnte.
Im Zusammenhang mit der Achtung von Menschenrechten ist ja auch die zwangsweise Durchführung von Blutabnahmen – gegen den Willen der Betroffenen – zu sehen, stellt das doch einen massiven Verstoß gegen die Menschenrechte dar und kann daher so nicht hingenommen werden.
Der Verbleib im Polizeigewahrsam, eben diese 48 Stunden, wurde ja bereits angesprochen. Und die Frist, dass die Gerichte über die weiteren 48 Stunden – bis zur Verhängung der U-Haft – zu entscheiden haben, ist auch nicht mehr zeitgemäß. Unsere Vorstellung ist natürlich die, dass Festgenommene unverzüglich dem Richter vorgeführt werden – und dass unverzüglich zu entscheiden ist: Haft oder eben nicht.
Das Recht eines Beschuldigten auf angemessene Verteidigung stellt ja auch eine Frage der Fairness, ja überhaupt eine Grundnorm des Rechtsstaates dar. Und daher sollte vor Vernehmungen sehr wohl eine Besprechung zwischen Beschuldigtem und Verteidiger stattfinden können; ebenso eine Beratung über die Verteidigungsstrategie beziehungsweise über prozessuale Rechte.
Was den Opferschutz anlangt, ist ein Fortschritt erzielt worden – das ist richtig –, dennoch gibt es einige Punkte, die sehr wohl verbesserungswürdig wären. Und ein Punkt, der verbesserungswürdig ist, ist eben, dass Opferschutzeinrichtungen von einer juristischen Prozessbegleitung ausgeschlossen werden, eine Tatsache, die von unserer Seite bemängelt wird. Ebenso ist zu kritisieren, dass es keine Möglichkeit geben wird, eine Nichtigkeitsbeschwerde gegen einen Freispruch einzulegen. – Das sind die wesentlichsten Dinge, die von unserer Seite einer Kritik zu unterziehen sind.
Die Strafprozessreform stellt – das nur abschließend – eine schwierige, eine sehr heikle und komplexe Materie dar, und generell stellt sich da meiner Ansicht nach eben schon die Frage, warum seitens der Regierungsparteien nicht versucht wurde, doch noch einen Konsens zu finden.
Im Sinne einer oberösterreichischen Tradition – das wurde ja hier bereits angesprochen –, nämlich eines konstruktiven Arbeitens, lade ich die Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP ein, heute hier im Bundesrat dagegen zu stimmen, die Strafprozessreform nochmals zu diskutieren – und dann neu zu beschließen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten der SPÖ.)
19.52
Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es hat sich Herr Bundesminister Dr. Böhmdorfer zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.
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