Bundesrat Stenographisches Protokoll 707. Sitzung / Seite 48

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Das ist wieder einmal eine Hürde für Frauen: Anstatt sie selbst entscheiden zu lassen, wie viel sie trotz kleiner Kinder arbeiten können und wollen, werden sie bestraft, wenn sie zu viel verdienen. Damit wird ihnen eine Wahlmöglichkeit genommen.

Ich mag es trotzdem nicht, wenn Frauen- und Familienpolitik immer in einem Atemzug genannt werden. Frauenpolitik geht über Familienpolitik hinaus. Es wurden vorher familienpolitische Maßnahmen dieser Regierung genannt: Nicht alles, was familien­politisch gut ist, ist auch frauenpolitisch gut. Es gibt genug Beispiele und Zahlen, die belegen: Auch wenn familienpolitische Maßnahmen erfolgreich sind, wird ein Kind im­mer noch von jemandem zu betreuen sein. Das sind in den meisten Fällen Frauen, und das hat in den meisten Fällen für die Frauen, zumindest hinsichtlich ihrer Berufs­ent­wicklung, negative Folgen.

Deshalb ist gerade die Frage der Kinderbetreuung massiv wichtig. In diesem Punkt treffen sich Frauen- und Familienpolitik nämlich. Sehr viele Frauen kehren nach der Karenz nicht mehr in den Beruf zurück oder haben massive Schwierigkeiten, ihre Karriere weiter zu verfolgen.

Im Bericht über die Einkommen von Frauen und Männern 2000, der ebenfalls heute, und zwar später, auf der Tagesordnung steht, gibt es dazu eine interessante Zahl aus einer Langzeitstudie: Frauen, die nicht in Karenz gegangen sind, verdienten 1997 im Schnitt 20 Prozent mehr als 1993; Frauen, die in Karenz gegangen sind, verdienten 1997 9 Prozent weniger. Das ist zum Teil auch darauf zurückzuführen, dass sehr viele Frauen nach der Karenz zu Teilzeitbeschäftigungen übergehen. Aber es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass das Einkommen dieser Frauen weit geringer ist als jenes von Frauen, die nicht in Karenz waren.

Deshalb ist es genau in dieser Phase – in den ersten Lebensjahren des Kindes – wichtig, dafür zu sorgen, dass Frauen die nötigen Rahmenbedingungen vorfinden, um selbst zu entscheiden, wie sie beides unter einen Hut bringen. Es ist schon klar, dass jede politische Richtung ihr bevorzugtes Familienmodell hat, aber es ist nicht richtig, das den betroffenen Frauen und Familien aufzuzwingen.

Vor allem aber hat sich das Bild der Familie, so wie wir es kennen, in den letzten Jah­ren massiv gewandelt. Diese Vorstellung vom Vater, der das Geld verdient und heim­bringt, und von der Mutter, die kocht und die zwei Kinder versorgt, trifft ja in der Realität in den meisten Fällen nicht mehr zu und wird, glaube ich, in dieser Form auch nicht mehr von allen begrüßt. Als alleinige Form der Familie gehört das jedenfalls der Ver­gangenheit an.

Anstatt aber jetzt Frauen und Familien gegeneinander auszuspielen, wird es Zeit, auf diese geänderten Bedürfnisse einzugehen und eine Familienpolitik zu betreiben, wie sie schon lange fällig ist: Es muss ein hoch qualitatives Angebot an Kinderbetreuung, angepasst an die Lebensrealitäten der Eltern, geschaffen werden und Wahlfreiheit für Frauen und auch für Männer, wie sie Familie und Beruf in Einklang bringen wollen, geben. Es ist ja auch nicht fair den Männern gegenüber, davon auszugehen, dass sie dann automatisch die Verpflichtung haben, die Familie zu erhalten, und die Frau dazuverdient, sondern auch Männer sollen sich entscheiden können, ob sie vielleicht mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Solange allerdings Frauen im Schnitt um ein Drittel weniger verdienen als Männer, wird das, so denke ich, oft eine theoretische Diskussion bleiben.

Im Nationalrat ist im Zuge dieser Debatte auch das Argument gebracht worden, dass sich die wenigsten Frauen im Beruf verwirklichen könnten und insofern das Leben in der Familie doch besser sei. Dieses Argument ist einerseits irrelevant, und anderer­seits zeugt es von einem unglaublich verstaubten Frauenbild, denn für den Großteil der


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