Bundesrat Stenographisches Protokoll 707. Sitzung / Seite 78

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

eigentlich auch noch zum Faulsein, zum Ausruhen und nicht zur Investition in Fach­arbeiterausbildungen.

Verfassungsrechtlich bedenklich bei dieser Gesetzesvorlage ist, dass für die Saison­niers vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer selbst Arbeitslosenversicherung bezahlt werden muss, dass sie aber keinen Anspruch erwerben. Durch legistische Tricks wird dieser ausgeschlossen, und es ist zu erwarten, dass diese Bestimmung von den entsprechenden Stellen zu Fall gebracht wird.

Die Crux an dem Ganzen ist: Die Arbeitslosigkeit wird weiter ansteigen, aber das wird statistisch nicht sichtbar. Das heißt, das Problem wird nicht sichtbar, und somit besteht weiterhin kein Handlungsbedarf.

Es hätte viele andere Möglichkeiten gegeben. Im Begutachtungsverfahren wurden sie von den Gewerkschaften, von den Arbeiterkammern, aber auch von anderen Interes­senvertretungen dargestellt – sie wurden vom Minister negiert.

Wir haben in den Gemeinden exemplarisch untersucht: Die Saisonniers haben zu 90 Prozent die Tendenz, im Land zu bleiben. Und im Land zu bleiben heißt, sie tauchen auf dem illegalen Arbeitsmarkt unter, drücken dort weiter die Löhne. Es herr­schen irreguläre Arbeitsbedingungen. Sie liefern sich dem jeweiligen Arbeitgeber mit Haut und Haaren aus, und es entsteht eine soziale Situation, die wir so nicht zur Kenntnis nehmen sollten.

Das Gesetz bietet die Möglichkeit, diesen Austausch weiter zu forcieren, eine Struktur entstehen zu lassen, die wir in diesen Rochademodellen, die in den USA an den Rän­dern der Großstädte zur Slumbildung geführt haben, vorfinden – eine Struktur nämlich, dass immer neue Arbeitskräfte aus Niedriglohnländern hereingeholt werden, aber keine Begleitmaßnahmen getroffen werden, um sie in den Arbeitsmarkt auch wirklich auf Dauer zu integrieren.

Ich habe hiemit begründet, warum die sozialdemokratische Fraktion diesem Gesetz nicht zustimmen wird.

Herr Minister! Sie haben die Folgen zu verantworten, die da heißen werden: nicht ver­fassungskonform, zumindest umstritten, Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, den Billiglohnbranchen zu ermöglichen, weiterhin ungeregelte Arbeitssituationen beibehal­ten zu können, Steigerung der Arbeitslosigkeit in diesen Sektoren, Entstehung lokaler sozialer Ghettos, Arbeitgeber nicht zu veranlassen, in höhere Qualifikation zu inves­tieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

12.51

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Zwazl. – Bitte, Frau Bundesrätin.

 


12.51

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Minister! Herr Vizepräsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße das EU-Erweiterungs-Anpas­sungsgesetz und erlaube mir, Folgendes anzumerken:

Gerade im Umfeld der angespannten Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation wäre völli­ge Freigabe der Personen- und Dienstleistungsfreizügigkeit der falsche Weg. Eine völ­lige Öffnung der Arbeitsmärkte zum Zeitpunkt des Beitritts hätte weit reichende nega­tive Auswirkungen auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Durch das nun vorlie­gende Gesetz behalten wir uns den nötigen Handlungsspielraum.

Als Wirtschafts- und Sozialpartnerin sind mir aber zwei Punkte ganz besonders wichtig. Erstens: Da dieses Gesetz unbefristet, also maximal sieben Jahre gilt, ist mir eine sorgfältige Evaluierung nach zwei Jahren ein besonderes Anliegen. Im Zuge dieser


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite