Bundesrat Stenographisches Protokoll 707. Sitzung / Seite 83

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kommen. Das heißt, dass Österreicher – auch wenn Retorsionsmaßnahmen vorhan­den sind – diese Möglichkeit auch vice versa haben müssen und dies auch haben werden.

Im Übrigen ist es ja so, dass – in der Öffentlichkeit wenig beachtet – eine gewaltige Liberalisierung für Arbeitskräfte aus diesen Ländern insofern eintritt, als etwa Slowaken oder Ungarn freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben, wenn sie per 1. Mai schon zwölf Monate legal in Österreich arbeiten – und nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Familien.

Wir schätzen, dass dann etwa drei Viertel der heute legal in Österreich beschäftigten Slowaken, Ungarn, Tschechen und so weiter – also etwa 30 000 Arbeitskräfte, die in Österreich beschäftigt sind – volle Freizügigkeit haben. Das wird für den Arbeitsmarkt keine wesentliche Änderung bedeuten, aber für die jeweiligen Arbeitnehmer schon, weil sie von heute auf morgen – gewissermaßen vom 30. April auf den 1. Mai – EU-Arbeitnehmern gleichgestellt sind, und das ist gut so!

Herr Dr. Gumplmaier! Sie wissen, wie sehr ich Sie schätze, aber trotzdem ist für mich manches von dem, was Sie gesagt haben, nicht ganz nachvollziehbar, nämlich, welche Wege es gäbe, das Lohnniveau in unseren Nachbarländern zu erhöhen. Welche fielen Ihnen denn da ein? – Auch dort hängt es von der Wirtschaftskraft, von Sozialpartner­verhandlungen und Ähnlichem mehr ab.

Tatsache ist, dass insbesondere im sensiblen Bereich der Industriearbeit die Löhne deutlich unter unseren liegen. Sie wissen, dass wir in Österreich eine Industriestunde inklusive aller Nebenkosten mit etwa 21 oder 22 € zu berechnen haben. In Deutsch­land liegt die Stunde bei 26 bis 28 €, in England im Übrigen weit unter unserem Niveau. In unseren Nachbarländern im Osten rechnet man mit 3 bis 6 €.

Schätzungen sagen uns, dass es zwischen 20 und 50 Jahren dauern wird, bis in diesen Ländern unser Lohnniveau erreicht sein wird, selbst wenn man dort die Löhne in den nächsten Jahren überproportional steigert, was auch der Fall sein wird. So gesehen kenne ich also keinen Weg, um dort rascher, als es auf Basis der wirtschaft­lichen Entwicklung möglich ist, das Lohnniveau zu erhöhen. – Sie wahrscheinlich auch nicht.

Herr Bundesrat und Frau Bundesrätin Konrad! Zu den Saisonniers: Was schlagen Sie denn vor? – Schlagen Sie vor, dass Saisonniers keine Arbeitslosenversicherungs­beiträge zahlen sollten? – Da bin ich strikt dagegen. Ich bin dafür, dass ausländische Arbeitskräfte, auch Saisonniers, genau dieselben Beiträge zahlen und damit genau dieselben Lohnnebenkosten verursachen sollen wie Österreicher, denn sonst ist das natürlich ein direktes Lohndumping, gewissermaßen gefördert durch den Staat. – Das wäre nicht sinnvoll!

Sind Sie vielleicht dafür, dass Saisonniers dann, wenn ihre Beschäftigungsbewilligung in Österreich abgelaufen ist, Unterstützung aus der Arbeitslosenversicherung erhal­ten? – Wahrscheinlich auch nicht, weil das die Gebarung der Arbeitslosenversicherung einseitig belasten würde und diese Saisonniers dem Arbeitsmarkt ja auch nicht zur Verfügung stehen, weil sie in Österreich keine Beschäftigungsbewilligung mehr haben.

Sie üben hier also Kritik, ohne irgendeinen Ansatz einer Alternative bieten zu können. Diesen Weg, den wir im Übrigen ja nicht erst seit gestern gehen – ich habe ihn von meiner Vorgängerin Hostasch übernommen, Sie wissen das –, werden wir auch in Zukunft weiter beschreiten.

Frau Bundesrätin Konrad! Sie haben gesagt, die Divergenz zwischen Aufenthalts­bewilligung – ja! und Beschäftigungsbewilligung – nein! würde zu mehr Schwarzarbeit


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