Bundesrat Stenographisches Protokoll 709. Sitzung / Seite 115

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haben, sich auf der Seite der Linie anzusiedeln, auf der Sie sie jetzt vermuteten, und, wie ich annehme, auch einzelne Kollegen von der FPÖ.

Sehen Sie, genau das ist der Punkt! Wenn ich aus möglichen Optionen auszuwählen habe, dann bin ich dafür verantwortlich, welche Priorität ich setze, und da kann ich nicht sagen: Ja, das ist auch wichtig! Sie haben eine Priorität zu 100 Prozent miss­achtet. Auf diesem Gebiet gibt es gar nichts. (Bundesrätin Giesinger: Sie müssen das einmal der Gewerkschaft sagen, weil die alles verlangt!) – Frau Kollegin, die Gewerk­schaft macht Lohnpolitik und Sozialpolitik. Die Steuerpolitik hat sie für sich – außer, dass sie mitreden will – nicht beansprucht. (Bundesrätin Zwazl: Wissen Sie, dass es Kollektivvertragsverhandlungen gibt und wie unser Sozialpartner handelt!)

Frau Kollegin, ich habe eine lange Gewerkschaftsvergangenheit, Sie brauchen mir nichts zu erklären. Ich weiß, wie das geht, und ich weiß auch, wie Unternehmer oft und oft mit diesen Forderungen umgehen. Ich war in einem wenig noblen Bereich gewerk­schaftlich tätig, im Bereich des Transportgewerbes, also bei den Spediteuren, und das sind keine Feinen, weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Ich weiß, wie Un­ternehmer dort mit Arbeitsbedingungen, mit Arbeitsrechten, mit Lohnhöhen, mit Entloh­nungsregelungen umgehen. Mir brauchen Sie über die gewerkschaftliche Ebene nichts zu erklären. Wenn Sie mir sagen, es seien schwarze Schafe, dann ist das in Ordnung, aber ich möchte endlich einmal die weißen in dieser Herde kennen lernen. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Mit Recht – und ich sage das ohne jede Einschränkung – wurde von Sprechern der Regierungsparteien die eine oder andere Verbesserung herausgestrichen. Keine Frage, die gibt es! Es ist irgendwie schwierig, wenn man das so breit anlegt, nicht auch etwas Vernünftiges zuwege zu bringen.

Aber ich kann mich dem Argument, das einige Sprecher verwendet haben, wirklich nicht anschließen, dass da sagt: Wenn Sie jetzt diese Steuerreform ablehnen, dann sind Sie ja gegen die Anhebung der Zuverdienstgrenze oder die Steuerfreistellung bei der großen Gruppe von Beziehern kleiner Einkommen!

Meine Damen und Herren! Gehen Sie einmal ins Wirtshaus, konsumieren Sie etwas um 15 €, legen Sie aber dann dem Kellner nur 10 € hin und sagen Sie: Warum nehmen Sie das nicht, es ist doch auch Geld?!

Nein, wir nehmen diese Reform nicht, weil es eine bessere mit denselben Kosten hätte geben können, die wir Ihnen vorgeschlagen haben und wo wir andere Prioritäten gesetzt haben! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe von der Trennlinie gesprochen. Ich habe aber jetzt nicht die Absicht, alle Argumente, die meine Kolleginnen und Kollegen mit großer Präzision vorgebracht haben, zu wiederholen. Ich habe nur vor, festzustellen, und ich habe kein Problem, mich da auch ausdrücklich – warum denn nicht einmal? – beim Herrn Justizminister und bei der FPÖ zu bedanken: Diese Reform hat den wirklich skandalösen Plan einer ungeregelten – anders kann ich das nicht mehr nennen – Straffreistellung aller Steuer-hinterzieher, die ein bisserl etwas anonym einzahlen, beinhaltet! Wie in einem Rechts­staat einem auf die Gesetze und die Verfassung der Republik vereidigten Minister ein solcher Vorschlag einfallen kann, das ist mir schleierhaft. (Bundesrat Dr. Böhm: Könnte ich nie zustimmen!) Wie gesagt, ich habe kein Problem, mich bei Herrn Minister Böhmdorfer und bei seinen Parteifreunden auch in der Regierung dafür zu bedanken. – Ich darf aber darauf hinweisen, dass sozusagen der Sud dieser Steueramnestie im Gesetz noch enthalten ist und von Ihnen heute offensichtlich beschlossen werden soll. Die absolute Verjährung von Steuervergehen wird nämlich von 15 auf zehn Jahre ver­kürzt, die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben von zehn auf sieben Jahre.

 


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