Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 71

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samtabstimmung möglich ist, können wir ein Gesetz nur im Ganzen oder gar nicht an­nehmen. Ich werde daher meine Stellungnahme auf jene Punkte im vorliegenden Ge­setz beschränken, die uns zu einer Ablehnung veranlassen.

Um wirklich zu einem großen Reformgesetz zu werden, wäre es unserer Ansicht nach erforderlich gewesen, einige seit längerem in Diskussion stehende Probleme einer Lösung zuzuführen. Im Speziellen meine ich damit die nach wie vor unbefriedigende Situation bei Lebensgemeinschaften. Die von der SPÖ seit Jahren geforderte und auch von vielen Fachleuten für notwendig erachtete Aufwertung von – und dabei meine ich sowohl die hetero- als auch die gleichgeschlechtlichen – Lebensgemeinschaften und eine entsprechende Verankerung im Erbrecht sind nicht einmal in Ansätzen erkennbar. Damit verschließt die Bundesregierung weiterhin die Augen vor einer längst herr­schenden gesellschaftlichen Realität in Österreich. Das Bild einer Familie, wo die Ehe­partner durch den Bund der Ehe miteinander verbunden sind, bestimmt bedauerlicher­weise nach wie vor die Familienpolitik dieser Regierung.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen! Wie lange wollen Sie noch die Tatsache verdrängen, dass trotz gemeinsamer Kinder Paare in immer höherer Zahl ohne den Bund der Ehe zusammen leben und, wie viele Beispiele zeigen, auch glück­lich dabei sind?! (Bundesrat Dr. Böhm: Die wollen das eben so!) Eben! Daher sollte man auch in den entsprechenden Gesetzen darauf reagieren!

Ich möchte mich an dieser Stelle aber im Besonderen an den Herrn Bundesminister wenden. Herr Bundesminister, sorgen Sie bitte dafür, dass in Österreich bei Kindern endlich die Bezeichnung „ehelich“ beziehungsweise „unehelich“ nicht mehr verwendet werden muss! Uneheliche Kinder sind zwar rechtlich gesehen ehelichen weitgehend gleichgestellt, im gesellschaftlichen Umgang jedoch nach wie vor Diskriminierungen ausgesetzt. Kinder bedürfen unseres besonderen Schutzes, und Ihnen als zuständi­gem Minister obliegt es, dafür zu sorgen, dass Kind nur Kind sein darf, ja sein muss. Die Begriffe „ehelich“ und „unehelich“ sind nicht mehr zeitgemäß und gehören abge­schafft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn seit längerem über die Frage einer Beistellung von Anwälten für Kinder bei der Durchsetzung ihrer Anliegen in Zivilrechts­sachen diskutiert wird und meines Wissens schon intensiv an der Lösung gearbeitet wird, so dürfen wir trotz des berechtigten Vorhabens nicht auf die nach wie vor vorhan­dene Benachteiligung der Rechtsposition von Müttern vergessen. Frauen wird auch mit dem vorliegenden Gesetz im Abstammungsrecht kein eigenständiges Bestreitungs- und Klagerecht eingeräumt. Ich gestehe zu, dass ein generelles Klagerecht Probleme bei volljährigen Kindern schaffen würde, ich plädiere jedoch dafür, Überlegungen an­zustellen, ob nicht dennoch Müttern ein Klagerecht zuerkannt werden könnte – even­tuell eingeschränkt auf jenen Zeitraum, solange die Kinder minderjährig sind.

Diskussionswürdig wären meiner Ansicht nach auch Überlegungen zu einer verbesser­ten gesetzlichen Regelung für die Anrechnung von erbmäßigen oder erbbezogenen Vorleistungen bei Wiederverehelichung eines Elternteils. Das geltende Erbrecht für Kinder aus früheren Ehen kann für die Hinterbliebenen der letzten Ehe zu Härtefällen führen und sollte meiner Meinung nach daher sachlich und ohne berechtigte Ansprü­che in Frage zu stellen diskutiert werden.

Erben ist nicht leicht – leichter ist es, gesetzliche Diskriminierungen zu verhindern. Und da auch diese Gesetzesnovelle bestehende Diskriminierungen nicht beseitigt, ja sogar neue schafft, muss meine Fraktion diesem Gesetz leider die Zustimmung verweigern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

 


13.12

 


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