Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 101

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15.04

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Meine Damen und Herren! Ich als überzeugte Frauenpolitikerin stehe heute schweren Herzens vor Ihnen, weil das Recht auf Teilzeit meiner Meinung nach eine zentrale Forderung in der Frauen- beziehungs­weise in der Familienpolitik ist, die jetzt vorliegende Fassung jedoch nicht befriedigend, nicht so weit gehend und nicht so ausreichend ist, dass wir dem zustimmen können.

Es gibt zwei Hauptgründe, die nach langer und intensiver Auseinandersetzung und Prüfung für uns ausschlaggebend waren: Der erste Grund ist, dass es nur Unterneh­mungen betrifft, die mindestens 20 Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter haben. Und das zweite wichtige Argument ist, dass eine Voraussetzung ist, dass der Betreffende bereits drei Jahre in diesem Unternehmen gearbeitet haben muss.

Man darf nicht vergessen, dass immerhin ein Drittel der MitarbeiterInnen in Betrieben mit weniger als 20 MitarbeiterInnen arbeitet. Es wäre fein gewesen – überhaupt für Sie, Frau Staatssekretärin, als ehemalige Frauenlandesrätin aus Oberösterreich –, ein Mo­dell zu entwickeln, mit dem es tatsächlich gelungen wäre, auch kleinere Unternehmun­gen mit einzubeziehen.

Es ist klar, dass das unter Umständen nicht ganz einfach ist, aber: Wo ein Wille, da auch ein Weg! Hirnschmalz und Innovationsfreude plus Kompromissfähigkeit führen meist dazu, dass es gute Lösungen gibt. So könnte man beispielsweise auch Anreiz­systeme schaffen, die es in kleineren Unternehmungen ermöglichen, den Mitarbeite­rInnen Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, beziehungsweise könnte man natürlich auch ein Anrecht darauf schaffen.

Zum Zweiten, zur Betriebszugehörigkeit: Diese Hürde ist schon sehr gravierend, denn immerhin sind fast zwei Drittel der Frauen und die Hälfte der Männer davon betroffen. Gerade junge Menschen, die sich in der Einstiegsphase in ihr Berufsleben befinden, sind in der Regel damit konfrontiert, dass es kürzere Beschäftigungsverhältnisse und mehr Wechsel gibt. Das ist ja auch klar, verständlich, gut, und die Wirtschaft profitiert auch davon.

Eines darf man ja nicht vergessen: Die Arbeitsgesellschaft – Sie wissen das – befindet sich im Umbruch. Der Arbeitsmarkt ist sehr dynamisch, und es ist ganz klar, dass es auch – ob das gut oder schlecht ist, sei jetzt dahingestellt – zu kürzeren Beschäfti­gungsverhältnissen kommt. – Das sind einmal die beiden Hauptkritikpunkte.

Ein weiterer Punkt ist, dass es nicht möglich ist, dieses Recht auf Teilzeit in Anspruch zu nehmen, wenn sich der Partner oder die Partnerin in Karenz befindet. Das finde ich nicht wirklich familienfreundlich.

Bei diesem Gesetz generell von einem Rechtsanspruch zu sprechen ist schwierig, meine Damen und Herren, denn Sie wissen, dass das aus betriebsorganisatorischen Gründen vom Betrieb abgelehnt werden kann – und dann wird das wieder zum Pro­blem der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Frau Staatssekretärin Haubner, Sie wissen, es geht um die generelle Vereinbarung von Beruf und Familie. Da gibt es eine ganze Palette, die wir bei der Tätigkeit dieser Regierung schmerzlichst vermissen, mit der man aber wirkliche Akzente setzen könn­te: Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, Schaffung flexibler Formen der Kinderbetreu­ung, Förderung der Väterkarenz, Schaffung von Anreizen zur Errichtung von Betriebs­kindergärten, Vaterschaftsurlaub bei der Geburt eines Kindes, generell das Thema Halbe/Halbe, gesellschaftliche Bewusstseinsarbeit, um die Hausarbeit – die Männer hier sollten nicht so betroffen schauen – tatsächlich gerecht aufzuteilen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

 


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