Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 105

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lichkeit eigentlich andere Argumente zählen, nämlich dass man vor der Wirtschaft kapi­tuliert und sich nicht getraut, wirklich den Familien Priorität zu geben.

Mit der Bindung an die dreijährige Betriebszugehörigkeit, zusammengefasst: mit dem Ausschließen aller Arbeitnehmer in Betrieben unter 20 Dienstnehmern, schließen Sie in Wirklichkeit 77 Prozent der Arbeitnehmer, der Väter und Mütter, von dem Anspruch aus. (Bundesrätin Gansterer: Das stimmt nicht!) Von einem Rechtsanspruch zu reden, ist daher nicht erlaubt! (Bundesrätin Gansterer: Man muss den Unterschied zwischen Betrieben und Mitarbeitern sehen! – Bundesrat Konecny: Das ist einer der wichtigsten Unterschiede!)

Warum ist dieser Schritt so halbherzig und bringt nicht die Lösung, die Sie erhoffen? – Meine Vorrednerin hat von der Korrektur der demographischen Entwicklung gespro­chen. Das heißt, man wünscht sich mehr Gebärfreudigkeit, man wünscht sich Familien mit mehr Kindern. Wir alle wünschen uns das, aber das würde einen herzhaften Schritt benötigen, einen herzhaften Schritt, der tatsächlich die Stimmung verändert und den potenziellen Müttern und Vätern signalisiert: Es gibt eine Priorität der Familie!

Reden wir über uns. Ich nehme an, die meisten unter uns, auch unter den Männern, die sich noch Reste an Sensibilität, Zugang zu eigenen Empfindungen, Wahrnehmung und Gefühlen bewahrt haben, können das eigentlich unglaubliche Glücksgefühl be­schreiben, den Reichtum, den es bedeutet, mit Kindern Zeit zu verbringen, Kinder her­anwachsen zu sehen, auch wenn es nur Stunden sind, in denen man die Spontaneität und die Entwicklung erlebt. Jeder von uns kann vermutlich auch über die wehmütigen Gefühle sprechen, wenn man zurück in den nüchternen, sachlich-rational dominierten Arbeitsalltag muss. Meistens sind es aber die Frauen, die auch die anderen Gefühle kennen, wenn sie entnervt vom wochenlangen alleinigen Betreuen von Kindern froh sind, wieder Abstand in der Arbeit zu bekommen.

Das heißt, die eigentliche Überforderung der Familien liegt in der Einseitigkeit der Be­lastung – meistens der Frauen – und in der Dauer der Belastung. Überforderte Eltern sind eine der Hauptursachen für die immer weiter steigende Scheidungsrate; mittler­weile sind wir bei 43,2 Prozent. Eine Untersuchung aus jüngster Zeit zeigt, dass 46,4 Prozent der Männer eigentlich eine aktive Väterrolle übernehmen möchten. 38 Prozent könnten sich auch vorstellen, in Karenz zu gehen und dafür ein Jahr lang die Karriere auf Eis zu legen. (Bundesrat Schennach: Aber?) Das könnten sie sich vorstellen. Aber ein deutscher Familienforscher sagt zum Beispiel: Unter diesen Rah­menbedingungen wäre eine Entscheidung einer Familie irrational, weil es die finanziel­len Möglichkeiten total einschränkt.

Die Wünsche der Väter sind durchaus zu verstehen, weil man das Glücksgefühl einer stärkeren Teilhabe am Innenleben der Familie kennt. Wir wissen aber gleichzeitig, dass Appelle nichts nützen, es müssen die Bedingungen verändert werden. Die Bedin­gungen zu verändern heißt: ein Recht und nicht eine Gnade auf Elternteilzeit! Andere Länder haben uns das vorgelebt – ich erwähne die skandinavischen –, es braucht das Papa-Jahr. Dazu gab es einen Antrag der SPÖ im Nationalrat, der niedergeschmettert wurde.

Sie verlagern die Verantwortung nach wie vor ins Private. Die Politik ist es aber, die die Bedingungen verändern muss. Wie gesagt, ein deutscher Familienforscher hat dieser Tage in einem Interview im „profil“ festgestellt, dass es die Kräfte der Kleinfamilie über­steigt, allein mit der Bewältigung der Kindererziehung zurechtzukommen. Auch wenn sie sich als Paar zu Beginn vornehmen, die Familienaufgaben gleichwertig zu verteilen, schlittern sie alle nach der Geburt des Kindes in die ungleiche Verteilung, und die Spi­rale beginnt.

 


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