Bundesrat Stenographisches Protokoll 711. Sitzung / Seite 42

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schrecklichen Worte? –, ein Neuanfang stattfindet. Ich halte es für sehr charakteris­tisch, dass in den Ausführungen des Herrn Vizekanzlers davon mit keinem Wort die Rede war.

Es sind zwei Personen ausgetauscht worden. Die Hoffnungen, der ÖVP ein Staatssek­retariat im Finanzministerium abknöpfen zu können, sind an der standhaften Bewah­rung des Regierungsübereinkommens durch den Herrn Bundeskanzler gescheitert. Die Hoffnungen, gleich die ganze Regierungsmannschaft, ausgenommen den Herrn Vize­kanzler und Frau Staatssekretärin Haubner, loswerden zu können, sind an innerpartei­lichen Querelen in der FPÖ gescheitert. Und damit ist dieser Neuanfang relativ klein­formatig geraten, etwa in jenem Kleinformat, das dem inzwischen erreichten Stimmen­anteil der FPÖ entspricht. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Kollege Böhm! Sie können ruhig wieder dazwischenrufen „Finstere Polemik!“ – ja, das ist es natürlich! Aber es ist eine finstere Polemik, die sich von Realitäten ableitet.

Ich habe es sehr geschätzt, als eine österreichische Tageszeitung Zitate zu dieser Regierungsumbildung und insbesondere zur Person der neuen Justizministerin gesam­melt hat.

Ich zitiere: Eine Riesenherausforderung, jubelte die Neue. Es geht nicht um Regie­rungserfahrung, es geht um die Frage des Zugangs zu Sachthemen. Diese Bestellung ist – Anführungszeichen – „ein Signal einer zukunftsorientierten Politik von Frauen für Frauen“, meint Frau Staatssekretärin Haubner. Für die Gesamtpartei eine optimale Lösung, meint Herr Vizekanzler Gorbach und fügt hinzu: Ein Sonnenschein mehr in der Regierung. (Heiterkeit bei der SPÖ. – Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Frau Maria Rauch-Kallat freut sich – Anführungszeichen –, „dass das Ministerium mit einer kompetenten Frau besetzt wird“. Jörg Haider lobt die tolle Zusammenarbeit und sagt, im Übrigen sei – Anführungszeichen – „meine Schwester die Erfinderin und politi­sche Ziehmutter der neuen Ministerin“. – Ein schönes Bukett von Meinungen. Das Lus­tige daran ist, dass sie sich nicht auf die Frau Justizminister beziehen. All das ist O-Ton aus einer Zeit, als eine gewisse Frau Forstinger zur Ministerin im Infrastrukturminis­terium ernannt wurde. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich will jetzt nicht behaupten, dass die Redenschreiber der Regierungsfraktionen nur einen begrenzten Wortschatz haben – das mit dem Sonnenschein hat diesmal fast auch so geklungen, in diesem Fall aus dem Mund der Frau Haubner –, aber die Neu­anfänge finden offenbar in einem immer kürzeren Rhythmus statt. Auch das war ein Neuanfang, und all diese Vokabeln haben wir wieder gehört. Ich glaube, Sie selbst wissen, wie schal der politische Anspruch ist, der dahinter steht.

Ich weiß nicht, wie groß die Leidensfähigkeit des Herrn Bundeskanzlers und der ÖVP ist. Es ist auch nicht meine Aufgabe, hier einen hohen oder einen niedrigen Grad an Leidensfähigkeit einzufordern, aber eines ist klar – und das interessiert mich und, so glaube ich, auch die Österreicherinnen und Österreicher –: Diese Regierung ist in wei­ten Strecken mit sich selbst und nicht mit den Problemen des Landes beschäftigt. (Bei­fall bei der SPÖ und den Grünen.)

Die eine Regierungspartei verschränkt die Arme, schaut weg und tut so, als ginge sie all das nichts an, und die andere Regierungspartei zerfleischt sich im Streit um das, was sie behauptet finden zu wollen, den richtigen Kurs. Und darunter leidet die Hand­lungsfähigkeit der Regierung, darunter leidet das Finden von Lösungsmöglichkeiten für Probleme, die dieses Land quälen.

Ich ziehe nur eines heran – ich möchte das nicht herunterdeklinieren, es war keine Regierungserklärung, und ich möchte daher auch keine Debatte über eine Regie­rungserklärung daraus machen, aber –: Wenn das, was wir heute erfahren haben,


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