Präsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zum Wort gemeldet: Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.
10.25
Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrter Herr Botschafter Dr. Steiner! Meine Damen und Herren! Es ist gut so, dass alle vier Parteien sowohl die Fristen beim Entschädigungsfonds als auch beim Versöhnungsfonds verlängern, aber ich will das gar nicht mit so vielen pathetischen Worten umkleiden, denn das ist doch geradezu eine Selbstverständlichkeit.
Wenn wir heute von Nachbarländern schon wenige Jahre nach dem Krieg Gesten der Versöhnung fordern, so zum Beispiel von Bosnien, dass es zehn Jahre nach Beendigung des Krieges doch endlich alles geregelt haben soll, alle Religions- und ethnischen Gruppen befriedet sein sollen und alles zurückgegeben sein soll, dann muss ich sagen: Österreich hat dazu nahezu 60 Jahre lang gebraucht.
Dass wir die Frist heute verlängern, ist
kein Ruhmesblatt des österreichischen Parlamentarismus und der österreichischen Politik, sondern einfach eine Selbstverständlichkeit,
das zu tun. Wir brauchen daraus keine Großtat von Regierung und Parlament zu
machen.
Als Vertreter des
Landes Wien muss ich Folgendes sagen: 50 bis 60 Prozent aller Wiener
Apotheken wurden „arisiert“, und die Apotheker durften nach 1945, selbst wenn
sie die eine oder andere Apotheke zurückbekommen haben, diese gar nicht weiterführen.
Man hat gesagt, dass ihnen da sechs, sieben Jahre fehlen und dass das den
Verlust der Gewerbeberechtigung oder welcher Berechtigung auch immer zur
Führung einer Apotheke bedeutet.
All das sind
Dinge, mit denen sich die Überlebenden, die Opfer der „Arisierung“ Jahrzehnte
hindurch herumstreiten mussten. Viele von ihnen haben bis heute nicht Recht
bekommen. Das betrifft auch Bankenhäuser, wichtige Bankenhäuser, das betrifft
nach wie vor Liegenschaften.
Es ist gut, dass
sich die Bundesländer dieser Initiative angeschlossen haben, und es ist
wichtig, dass das geschieht. Aber es ist auch wichtig, und zwar nach wie vor
wichtig, dass alle Opfer eine entsprechende Berücksichtigung
erfahren. Die Sinti und Roma – wie lange hat es in Österreich gebraucht,
zum Beispiel nur deren Sprache und Volksgruppenzugehörigkeit anzuerkennen?
Oder: dass Homosexuelle genauso Opfer des nationalsozialistischen Regimes
waren? Ich erwarte, das erste Homosexuellen-Gedächtnis-Denkmal in dieser
Republik.
Oder: Erst wenn
Deserteure genauso behandelt werden wie Helden und wenn es in Österreich
genauso viele Deserteur-Denkmäler wie Helden-Denkmäler gibt, dann haben wir die
Geschichte aufgearbeitet. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)
In diesem Sinne,
Kollege Böhm: Ja, Sie haben Recht, Bernardis war ein Nazi, da haben Sie völlig
Recht (Bundesrat Dr. Böhm: Habe ich gar nicht gesagt!),
ein Anhänger des nationalsozialistischen Gedankenguts. Aber ich finde es
erstaunlich und bemerkenswert, wenn sich dann jemand, der in diesem Gedankengut
„drinnen“ ist, in diesem militärischen Stab, an einem Attentat beteiligt, das,
wäre es geglückt, Europa viel Leid erspart hätte.
Bernardis zu
ehren und dass nicht nur Deutschland österreichische Attentäter, Mittäter, die
der „Operation Walküre“ gefolgt sind, ehrt, sondern auch wir ein eigenes
Zeichen setzen – und das, so lange die Witwe noch lebt –, darauf
zielt dieser Entschließungsantrag, den ich hier mit unterschrieben habe, ab.
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