Bundesrat Stenographisches Protokoll 712. Sitzung / Seite 39

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Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

 


10.40

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Botschafter Steiner! Diese Republik ist im Jahre 1945 aus dem Geist des gemein­samen antinazistischen Kampfes geboren worden. Diese Republik hat vieles von dem, was eine solche Selbstpositionierung zwangsläufig nach sich ziehen muss, viele Jahre, zu viele Jahre nicht eingelöst.

Das Bekenntnis zum selbständigen Österreich, das Bekenntnis zum Widerstandskampf gegen das Hitler-Regime und gegen den „Anschluß“, das ist die eine Seite gewesen. Das Denken und Handeln für jene, die zu Opfern wurden, sind dabei zu kurz gekommen. Mit Recht hat Kollege Hösele auf den Bericht des Präsidenten Jabloner verwiesen, der das in einer – ich sage es sehr ehrlich – beschämenden Art und Weise für unser Land nachzeichnet.

Ich habe ein großes Problem, ein moralisches Problem, aber es muss ausgesprochen werden: dass die beiden damals tragenden Parteien der Republik ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Das ehrlich einzubekennen, muss an der Spitze jedweder Diskussion über dieses Thema oder Themen, die damit in Verbindung stehen, stehen. Und ich lege dieses Bekenntnis eindeutig ab. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

Es ist gut gewesen, dass Franz Vranitzky klar die Mitschuld von Österreichern an der Herrschaft und am Herrschaftssystem der Nationalsozialisten, ihre Verwicklung in deren Verbrechen angesprochen hat. Es ist gut, dass wir uns letztendlich und gemein­sam zu Formen der Wiedergutmachung – die Anführungszeichen, die ich meine, sind hoffentlich zu hören – an jene, die „alt genug“ geworden sind, ihre Ansprüche noch anmelden zu können, entschlossen haben.

Wir können feststellen – und ich möchte das ausdrücklich sagen –, dass die Erfüllung dieser Verpflichtung durch die beiden Fonds in angemessener, humaner, rücksichts­voller und auf die schwierigen Beweislagen, die persönliche emotionale Betroffenheit dieser Menschen eingehender Weise erledigt wird, dass viel Verständnis vorhanden ist. Die Erstreckung der Erledigungsfrist ist ja ein Zeichen dafür, dass diese Grund­haltung einfach Zeit erfordert, wo Rücksprachen gehalten werden, wo versucht wird, einen verständnisvollen Weg zu finden. Ich möchte allen, die damit befasst sind und sich dieser auch menschlich sehr schwierigen Aufgabe unterziehen, ausdrücklich dafür danken.

Das Thema, auch wenn es nicht als Vorlage auf der Tagesordnung steht, ist natürlich breiter anzulegen. Es liegt uns heute – das war ein Zufall – in den Postfächern, wenn ich das richtig mitbekommen habe, auch der Restitutionsbericht 2002/2003 vor, der thematisch dazugehört zu dem Einbekenntnis dieser Republik, dass weiterhin Bedarf, Handlungsbedarf der Wiedergutmachung gegenüber jenen besteht, die überlebt haben, aber in vielen Fällen auch gegenüber jenen im Bereich der Restitution, die deren Erben, Nachfolger, Familienangehörige sind.

Es gehört zu den Zufällen, die der Kalender halt so mit sich bringt, dass wir diese Debatte – im Ausschuss war das exakt der Fall – in datumsmäßiger Nachbarschaft zum symbolischen Datum 20. Juli und damit der 60. Wiederkehr des Versuches, Hitler zu ermorden und das Nazi-Regime zu stürzen, führen.

Ich sage mit großer Deutlichkeit dazu, dass zu den vielen Verpflichtungen, die die Republik schuldig geblieben ist, auch jene eines ehrlichen Umgangs, aber auch eines zukunftsweisenden Umgangs mit dem geistigen und politischen Erbe dieser Männer


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