Bundesrat Stenographisches Protokoll 714. Sitzung / Seite 92

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richtung. Es gibt nicht viele Einrichtungen in unserer Republik, die eine vergleichbar hohe Bekanntheit haben.

Die Zahl jener, die wissen, wie man zu uns gelangt, hat, seit wir unsere Tätigkeit aufgenommen haben, um 15 Prozent zugenommen. Das ist sicher mit der Fernseh­sendung gekoppelt, es war aber auch von Anfang an unser Bemühen, die Volks­anwaltschaft bekannter zu machen, aber auch bekannter zu machen, wie man zu uns gelangt. Hier spielen die modernen Medien, die modernen technischen Möglichkeiten, an uns heranzutreten, natürlich eine Rolle.

Von jenen Befragten, die uns kennen, haben wiederum 77 Prozent angegeben, dass sie sich entweder sicher vorstellen können oder vielleicht vorstellen können, wenn sie ein Anliegen haben, an die Volksanwaltschaft heranzutreten. Ich weiß nicht, ob es vergleichbare andere Institutionen in diesem Lande gibt, die eine ähnlich oder ver­gleichbar hohe Akzeptanz beim Bürger aufweisen. Das macht uns ein wenig stolz, soll Ihnen aber auch klarmachen, welchen Stellenwert die Volksanwaltschaft beim Bürger hat. Ich komme auf diesen Stellenwert und auf die Rolle später zurück, wenn ich auf die Ausführungen des Herrn Bundesrates Weiss eingehe.

Nun zum leidlichen Thema Verfahrensverzögerungen bei Gericht, das Herr Bundesrat Hösele, aber auch Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm angeschnitten haben. Meine Damen und Herren! Das ist alles sehr abstrakt. Wenn die Frau Bundesministerin eine statistische Größe genannt hat, die sie mit dem Ausland verglichen hat, dann muss ich sagen, es geht uns relativ gut, aber das ist bei jenem, der mit einem Bein im heißen Wasser und mit dem anderen im Kühlschrank steht, auch der Fall. Das Ganze muss also ein Gesicht bekommen.

Ich möchte Ihnen wieder ein „Gesicht“ nennen, wie ich das in einem anderen Fall auch im Ausschuss schon getan habe. Ich nenne Ihnen den Fall eines Mädchens – ich betone noch einmal, es ist mir selbst als Vater, aber insbesondere auch als Volks­anwalt ein menschliches und persönliches Anliegen, dass Sie insbesondere sehen, dass vor allem in Pflegschaftsangelegenheiten, in Obsorgeangelegenheiten die Proble­matik der Verfahrensverzögerungen größte und schwerste menschliche „Defekte“ hinterlässt, die dann auch zu Beziehungsdramen führen, wie wir sie ja bedauer­licherweise jede Woche in Zeitungen lesen müssen.

Ich nenne Ihnen den Fall eines Mädchens, dessen Eltern sich haben scheiden lassen. Es begann – wie in den allermeisten Fällen – ein Obsorgestreit. Der Obsorgestreit hat im Jahre 1999 begonnen und war im Jahre 2004 noch nicht abgeschlossen. Es hat während dieser Obsorgestreitigkeit vier Richterwechsel gegeben. Es ist also nicht nur der pensionierte oder vor der Pensionierung stehende Richter, sondern es sind auch die Richterwechsel – das ist eine organisatorische Frage bei Gericht –, die zu Ver­fahrensverzögerungen führen. Jeder Richter muss dann wieder von vorne beginnen. Wenn ein Rechtsanwalt geschickt genug ist, dann bringt er es auch fertig, dass alle Beweise neuerlich erhoben werden müssen.

Auf die Verzögerungen, die sich bei den Sachverständigen und bei den Gutachtern ergeben haben, möchte ich gar nicht eingehen.

Dramatisch ist dieser Fall deswegen, weil dieses Mädchen eine angeborene Fehl­stellung der Füße hat, der Vater Facharzt für Orthopädie ist, sich seit 1999 bemüht, das Kind wenigstens behandeln zu dürfen, es aber nicht kann und nicht darf, weil die Mutter dagegen ist beziehungsweise die Richter keine Entscheidung zustande bringen. Mittlerweile ist dieses Kind so schwer und irreparabel an seinen Füßen geschädigt, dass es nur noch operativ, und zwar mit schweren Operationen, behandelt werden kann.

 


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