Bundesrat Stenographisches Protokoll 715. Sitzung / Seite 69

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anderen kann ich auch nicht zwingen –: Machen wir an einem Tag oder während einer Woche in ganz Europa eine Volksabstimmung!

Wir werden nicht so oft eine Europäische Verfassung beschließen. Das ist tatsächlich ein historischer Augenblick. Allein schon das Wort „Constitutional Treaty“ ist etwas Besonderes. Das hätte ich persönlich allen europäischen Bürgern und Bürgerinnen zur Abstimmung vorgelegt. Ich bin überzeugt, dass wir auch ein Ja dafür bekommen hät­ten. Es hätten aber auch manche gesagt: Nein, wir sind dagegen!

Aber falsch ist aus meiner Sicht und wirklich nicht unproblematisch, dass jetzt verschie­dene Staaten – nicht alle –, und zwar oft aus innenpolitischen Gründen, sagen: Jetzt machen wir zu einem bestimmten Zeitpunkt, nach unserer nationalen Wahl, möglichst gegen Ende, also 2006, eine nationale Volksabstimmung! – Mit Verlaub, das halte ich für gefährlich!

Wir haben jetzt praktisch zwei Jahre ein Fragezeichen über dem Europäischen Projekt. Ich glaube nicht, dass das der Sache Europas guttut. Das alles ist jetzt ein bisschen im Wiglwagl, niemand weiß, ob am Ende die Abstimmungen der Tschechen, der Polen, der Briten – da sind die kritischsten Abstimmungen – gut ausgehen werden. Niemand kann sich eigentlich darauf vorbereiten. Niemand weiß die Antwort auf die Fragen: Kommt jetzt der Auswärtige Dienst Europas? Kommt jetzt der Europäische Außen­minister und Vizepräsident der Kommission oder nicht!

Das ist, finde ich, eigentlich eine ganz schlechte Lösung, die da jetzt läuft. Daher ein Ja zu einer europäischen Volksabstimmung, die alle EU-Mitgliedstaaten in einem verdich­teten Zeitraum machen. Es muss nicht am gleichen Tag sein, aber vielleicht während einer Woche oder eines Monats.

Ich habe auch die Anregung gemacht: Versuchen wir doch wenigstens die Debatte darüber zu führen, ob man nicht die nationalen Referenden verkürzen kann, nämlich in ihrer Gesamtdauer! Kann man das, statt auf 20 Monate auszudehnen, auf ein Viertel­jahr oder ein halbes Jahr zusammendrängen? Bisher gab es darauf keine Reaktion.

Wie gesagt, das halte ich für schlecht. Ich habe es drei Mal angesprochen. Das ist meine Position, und ich denke, dass sie auch wirklich gut begründet werden kann.

Die dritte Frage bezog sich auf die Kampfeinsätze. – Da darf ich auch jetzt wieder sagen: Bleiben wir doch bei dem, was wir außer Streit gestellt haben! Wir haben vor vielen Jahren – das war noch in der großen Koalition – mit dem Vertrag von Amster­dam die Möglichkeit geschaffen, so genannte Petersberg-Aufgaben, nämlich humani­täre Einsätze, Krisenmanagement, friedenssichernde und friedenschaffende Einsätze, durchzuführen. Diese vier Punkte waren völlig außer Streit – bei den Sozialdemokra­ten, bei den Freiheitlichen, bei den Grünen, bei uns.

Jetzt wird plötzlich – und Sie haben es auch gemacht – von Kampfeinsätzen gespro­chen und gesagt, das sei ein Neutralitätsthema. Darf ich sehr offen sagen: Das sehe ich wirklich anders! Wenn die Europäische Union als Leuchtturm des Friedens und der Menschenrechte in der Welt eine Rolle spielen soll, dann müssen wir handlungsfähig sein. Das ist ja nichts anderes als die Umsetzung der Petersberg-Aufgaben. Da ist nicht ein Millimeter mehr dazugekommen.

Es ist für mich völlig selbstverständlich, dass die Europäische Union immer auf der Basis des Völkerrechts und der UNO-Charta entscheiden kann und muss. Nur: Eines sage ich auch dazu – nehmen wir das Beispiel Balkan, Unruhen im Kosovo –: Ich kann doch nicht die Entscheidung, ob Europa überhaupt etwas tun soll, davon abhängig machen, ob Russland oder China im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Dau­men hinauf oder hinunter hebt.

 


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