Bundesrat Stenographisches Protokoll 715. Sitzung / Seite 70

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Mit Verlaub – in diesem Kreis darf ich das ja sagen –, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist ja keine Menschenrechtsinstanz! Das ist ein Interessensgremium, in dem ausschließlich oder in vielen Fällen nationale Interessen mit Vetodrohung von fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern vertreten werden. Es ist daher überhaupt kein Problem, dass wir als Basis das Völkerrecht, die OSZE-Charta, die UNO-Charta und natürlich das Handeln und die Beschlussfassung der Europäischen Union dem zugrunde legen. Aber es muss uns klar sein, dass wir jetzt überhaupt nichts anderes machen, als die organisatorischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, ob wir über­haupt in einem spezifischen Fall, der noch zu definieren sein wird und wo wir dann national zu entscheiden haben werden, ob wir das überhaupt machen, ob wir an dieser Geschichte teilnehmen, mitmachen. – Das ist der Punkt!

Ich sehe das ja schon kommen: Jetzt fangen alle oder manche an, über Kampfeinsätze zu philosophieren, Afrikadiskussionen zu führen. Vor einigen Wochen hat es noch ge­heißen: Wir brauchen einen europäischen Verteidigungsminister und eine europäische Armee! – Sehr unrealistische Perspektiven, würde ich zunächst einmal annehmen. Ich schließe es nicht aus, aber dass das morgen kommt, glaubt wirklich niemand.

Aber das, was jetzt notwendig ist, der nächste Schritt, den stellen wir jetzt schon wieder mit Argumenten in Frage, was ich persönlich für falsch halte. Wenn wir wollen, dass Europa im Interesse des Friedens und der Menschenrechte handelt, dann müs­sen wir jetzt den nächsten Schritt machen und dürfen nicht diskutieren, was in 10 oder in 20 Jahren sein wird. So würde ich meine Position hier beschreiben. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frage des Austausches: Das halte ich für einen ganz wichtigen Gedanken, denn da ist auch sehr viel in Bewegung gekommen. Seit wir bei der Europäischen Union da­bei sind – in fünf Wochen jährt sich zum zehnten Mal der Beitritt – haben 50 000 Schü­ler und Studenten Österreichs an diesen Programmen teilgenommen. Meine Tochter auch. Sie war vor vielen Jahren Psychologiestudentin und war ein Jahr in Barcelona. Das ist faszinierend! Das muss man auch weiterführen, das muss man ausdehnen. Wir sind jetzt zum Beispiel dabei, auch zu überlegen, ob man nicht auch noch Stipendien­programme eigenständig, national entwickeln soll.

Unlängst hat die Anglo American, die ja in Österreich ein großer Eigentümer der Papierindustrie ist – neben Frantschacher und Neusiedler AG – als Einstandsgeschenk dafür, dass sie das globale Headquarter nach Österreich legt, und zwar mit 5 Milliar­den € Jahresumsatz, zusätzlich noch ein Stipendium, eine Stiftung von 2,5 Millionen € eingebracht, damit Studenten aus Afrika und aus Asien in Österreich studieren können. Ich glaube, da sind viele Dinge in Bewegung gekommen, die absolut sinnvoll sind.

Ich sage jetzt auch meine Meinung zu den Punkten Europa, Identität, nationale Identi­tät und Österreich. – Ich darf ganz offen sagen: Warum soll man jetzt mit Gewalt die europäische Karte gegen die nationalen, in diesem Fall österreichischen, Interessen gegeneinander ausspielen? Ich persönlich sehe das so – und das ist meine wirkliche Überzeugung, dafür werbe ich auch –: Es ist in unserem Interesse, wenn Europa funktioniert!

Das ist meine Erfahrung, ich habe die Zeiten erlebt, in denen wir draußen gestanden sind. In Wahrheit ist erst mit Josef Klaus 1968 und mit Kreisky 1972, mit der Unter­schrift unter den EWG-Vertrag, überhaupt erst die Möglichkeit geschaffen worden, dass wir wirtschaftlich an einem – damals noch unvollendeten – Binnenmarkt teil­nehmen. Wir sind doch, bitte sehr, in Wahrheit 20 Jahre lang draußen vor der Tür gestanden. Es kann doch nicht unser nationales Interesse sein, da künstlich einen Gegensatz: hie Europa und hie Österreich! aufzubauen.

 


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