Bundesrat Stenographisches Protokoll 715. Sitzung / Seite 71

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Alles, was dort geschieht – nehmt alles nur in allem –, ist in unserem Interesse: die Erweiterung der Union, dass wir vom Rand ins Zentrum rücken, die wirtschaftlichen Dinge. Einer der Redner hier hat die Exporte angesprochen. Wir haben seit dem EU-Beitritt unsere Exporte um 50 Prozent gesteigert. Wissen Sie, was das heißt, und zwar auch für die Arbeitsplätze hier? – Dass wir alleine durch diese Dinge in Wahrheit sehr viel für uns bewegt haben.

Ich stelle die These auf – ich kann es jetzt nicht ökonomisch-wissenschaftlich unter­mauern, aber ich werde eine Studie in Auftrag geben –, also ich sage hier im Bun­desrat: Ohne die Erweiterung der Europäischen Union und die Wohlstandsvorteile für Österreich hätten wir in Wahrheit in den letzten drei Jahren kein Wirtschaftswachstum gehabt. Das ist meine tiefe Überzeugung!

Daher bitte ich wirklich, nicht künstlich Gegensätze aufzubauen. Natürlich gibt es Interessensgegensätze, das ist ohnedies klar, beim Transit zum Beispiel, logisch, oder bei der Atomenergie, zu wenig Sicherheitsstandards, okay, da muss man eben weiter­bohren, weiterarbeiten und Bündnispartner suchen, aber insgesamt ist, glaube ich, die Entwicklung des europäischen Projekts absolut in unserem Interesse. Daher bitte ich, keine künstlichen Gegensätze hier aufzubauen.

Jetzt zu den innenpolitischen Fragen. – Entschuldigung! Ich möchte noch die Türkei ansprechen.

Ich bekenne mich dazu, dass die Türkei, wie das ja auch einige Redner gesagt haben, an Europa herangeführt werden muss. Das ist, glaube ich, unbestritten. Die Türkei hat eine bemerkenswerte demokratische – demokratischere – Entwicklung in den letzten Jahren gehabt. Die jetzige Regierung hat mehr für die Europäisierung der Türkei getan als die fünf Regierungen zuvor. Das muss anerkannt werden! Die Menschenrechte, die Sprachenvielfalt, Kurdisch zum Beispiel, Sprach-, Verlagsprogramme – das ist an und für sich auf dem richtigen Weg.

Es ist aber genauso richtig, dass es noch ein langer Weg ist, bis die Türkei jene Maß­stäbe und Standards erfüllt, die für uns selbstverständlich sind. Ich sage das hier auch offen – Sie haben ja zu Recht das Thema „Asylwerber“ angesprochen –: Ganz klar! Wir können doch nicht davon ausgehen, dass ein europäisches Land Asylwerber produ­ziert. Das ist ja denkunmöglich!

Es ist völlig klar, dass wir – die wir uns oft mühsam dafür einsetzen, dass die Kinder­rechte gewahrt werden, kein Missbrauch von Kindern geschieht, die Frauenrechte gewahrt werden, dass Frauen nicht geschlagen oder gegen ihren Willen verheiratet werden – dafür sind, dass dieses Thema in einem Monitoring gesehen werden muss. Wenn heute im Strafgesetz der Türkei immer noch steht, dass zum Beispiel das Zeug­nis eines Mannes gleich viel zählt wie jenes zweier Frauen – also ich bitte um Ent­schuldigung, aber das kann nicht akzeptiert werden! Oder: Es ist zu fordern, dass zum Beispiel ein Jungfräulichkeitstest – das heißt anders im Strafrecht, aber es ist genau das damit gemeint – unmöglich wird. Eine parteiübergreifende Forderung, wie ich meine. Es kann doch niemanden in diesem Hohen Haus geben, der nicht sagt, dass diese Frage ehrlich angesprochen, aufgearbeitet werden muss.

Jetzt kommen wir zu der entscheidenden Frage: Kann man am 17. Dezember Nein zu einem Verhandlungsbeginn sagen? Das ist der entscheidende Punkt! – Da sage ich: Das wäre unfair, denn in Wirklichkeit haben wir alle seit 40 Jahren – aber noch einmal 1999, noch einmal 2002, alles mit Zustimmung eines SPÖ-Kanzlers, mit Zustimmung des Koalitionspartners FPÖ sowie mit Zustimmung des ÖVP-Außenministers und ÖVP-Kanzlers – zugesagt, dass wir zu einem Verhandlungsbeginn bereit sind.

 


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