Bundesrat Stenographisches Protokoll 721. Sitzung / Seite 18

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denn dort haben Parlamentarier mitgewirkt, aber die öffentliche Debatte haben Parla­mentarier offensichtlich nicht mehr mit zu tragen, sondern dies ist ausschließlich Sache und Verantwortung der Regierung.

Also bitte, mit Verlaub, ich darf an Folgendes erinnern: Wir haben vor Beginn des Konvents eine Expertenrunde gemacht. Dort sind übrigens einige interessante Ideen geboren worden, die dann von Österreich in den Konvent und schließlich sogar in den Text eingebracht wurden. So ist etwa die Idee zur Einführung des Klagsrechts der einzelnen Bürger beim Europäischen Gerichtshof, sofern sie direkt von einer euro­päischen Entscheidung durch ein EU-Organ betroffen sind, bei einer solchen öffentlichen Anhörung von Experten entstanden.

Wir haben mehrere öffentliche Veranstaltungen mit jungen Leuten abgehalten. Die Medien haben mitgespielt. Wir hatten sechs oder sieben öffentliche Debatten im EU-Hauptausschuss, wir haben im Nationalrat und im Bundesrat öffentlich darüber debattiert, und wir haben gerade im letzten Monat jedem Haushalt die Eckpunkte dieser europäischen Verfassung zugemittelt. Die Außenministerin und ich haben das veranlasst. Wir haben derzeit 10 000 Exemplare dieser Verfassung abgesetzt; auf Anfrage bekommt jeder österreichische Bürger diese Verfassung zugeschickt.

Ich kann nicht verstehen, warum man jetzt sehnsüchtig nach Frankreich blickt. Haben Sie wirklich das Gefühl, dass das die große europäische Debatte ist, die wir alle haben wollen? – Ich glaube nicht, denn da wird einerseits darüber debattiert, ob der Premierminister gehen soll oder ob die sozialdemokratische Opposition gespalten ist. (Bundesrat Gruber: Das ist ein Missverständnis!) – Nein, ich weiß das schon, aber es ist ja bewusst in den Medien in Frankreich so diskutiert worden. In Irland wird beispielsweise darüber geredet, ob nicht die Abtreibung durch die Hintertür über die Verfassung eingeführt werden soll. Manche fürchten sich vor einem neoliberalen Europa. Da kommen natürlich auch manche Geister, die man gerufen hat, jetzt durch die Hintertür zurück.

Für mich ist Europa niemals ein neoliberales Projekt gewesen, sondern zuallererst ein Friedenprojekt, dann ein soziales und auch ein wirtschaftlich leistungsstarkes Projekt, weil dort die soziale Marktwirtschaft, Copyright Europäische Union, verwirklicht ist wie nirgendwo sonst auf der Welt. Das, so glaube ich, sind die Punkte, die letztlich auch den Charme und die Bedeutung dieser europäischen Verfassung ausmachen. Des­wegen sind wir in Österreich mit überwältigender Mehrheit dafür, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Noch ein Punkt: Herr Bundesrat! Sie haben gemeint, wir sollen die Bundeshymne ändern. Ich bin prinzipiell dagegen, dass man Dichterworte nachträglich ändert, weil es eben gerade passt. Paula von Preradović ist eine große österreichische Dichterin. Bleiben wir also dabei! Warum gerade ein grüner Abgeordneter jetzt „das Schöne“ aufgeben will, weil sich zufällig die „Söhne“ darauf reimen, verstehe ich nicht. Ich glaube, um das Schöne beizubehalten, nehmen wir auch die Söhne in Kauf und denken letztendlich dabei mit, dass diese Formulierung eigentlich alle Kinder Öster­reichs betrifft. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Einige Punkte sind mir wichtig, darauf möchte ich sehr deutlich eingehen.

Herr Bundesrat Böhm! Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze, als Rechtslehrer, als Politiker, als ruhigen, besonnenen Debattenredner hier im Hohen Haus. Ich muss Ihnen aber ganz offen widersprechen, Ihre Analyse ist meiner subjektiven Einschät­zung nach ganz einfach nicht richtig.

Sie sagen, dass durch diese neue Verfassung eine Gesamtänderung der österreichi­schen Verfassung bewirkt wird. Dann frage ich präzise: Wodurch? Ehrlich gesagt, mir


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