Abhängigkeit von Familienmitgliedern, insbesondere von Frauen, zum Opfer gefallen ist.
In beiden erwähnten Sachbereichen – Asyl- und Fremdenpolizeirecht einerseits und Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht andererseits – geht es beim vorliegenden Gesetzesvorhaben stets auch um die Umsetzung vorgegebener Richtlinien der Europäischen Union und die Durchführung von Verordnungen der EU.
Wenn ich einleitend angedeutet habe, dass ich einen Schwachpunkt, richtiger ein rechtsstaatliches Defizit der Neuregelung ausmache, so weise ich abschließend jetzt darauf hin. Meine Kritik bezieht sich, wie auch schon jene mancher Vorredner, auf den Umgang mit Schubhäftlingen in Hungerstreik. Vorweg halte ich fest – das vermochte ich leider auch in meiner eigenen Fraktion nicht ausreichend klarzumachen –, dass ich weder die Intention von Schubhäftlingen, sich freizupressen, noch die resignative Reaktion staatlicher Behörden, dann im Zweifel die Freilassung zu verfügen, billige und daher natürlich nicht propagiere.
Dennoch vertrete ich die menschenrechtlich und rechtsethisch motivierte Rechtsauffassung, dass die so genannte Zwangsernährung keine akzeptable Alternative darstellt. Im Klartext: Die gegen den erklärten Willen einer Person, gegebenenfalls sogar gewaltsam erzwungene Nahrungszufuhr ist meines Erachtens selbst unter den Titeln Heilbehandlung, Hilfestellung aus staatlicher Verantwortung und ähnlichen Argumenten weder geboten noch vertretbar. Die eigenmächtige Heilbehandlung bildet sogar einen Tatbestand im Sinne des Strafgesetzbuches und macht Ärzte insofern strafbar. Eine disziplinäre oder zusätzliche Strafmaßnahme kann die Zwangsernährung schon gar nicht sein.
Der Verweis darauf, dass das Strafvollzugsgesetz eine solche Maßnahme im Grenzfall rechtfertigt, besagt für das Verfahren zur Abschiebung gar nichts. In einem reinen Verwaltungsverfahren in Bezug auf einen Schubhäftling, der sich keiner Straftat schuldig gemacht hat, wäre meines Erachtens die Zwangsernährung anders als im Strafverfahren eine überzogene, das heißt dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip zuwiderlaufende Maßnahme.
Das sieht Professor Matscher, ehemaliger Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und heutiger Rechtsschutzbeauftragter des Bundesministeriums für Inneres, ebenso.
Wenn es nun die polizeilichen Dienststellen nach wie vor ablehnen – auch mangels geeigneter Einrichtungen, Lokalitäten und Personals –, diese Ultima Ratio anzuwenden, und solche suizidgefährdeten Schubhäftlinge an Strafanstalten überstellen, so erscheint mir das als Etikettenschwindel, und zwar in mehrfacher Hinsicht: zum einen, weil das Innenministerium damit die Verantwortung auf das Justizministerium verlagert, zum anderen deshalb, weil es zwar zutrifft, dass Justizanstalten für eine solche ärztliche Betreuung besser ausgestattet sind und es sich nach dem Strafvollzugsgesetz bei der Zwangsernährung um eine danach zulässige Maßnahme handelt, es aber allein durch die Überstellung von der einen Anstalt an die andere um keine Änderung des Verfahrensgegenstandes und des Verfahrensziels geht. Mit anderen Worten: Aus einem Abschiebungsverfahren, aus einem Verwaltungsverfahren wird auch dadurch kein Strafverfahren.
Rechtstatsächlich und empirisch mag es ferner zutreffen, dass Häftlinge in Strafanstalten anders als Schubhäftlinge keine Chance erkennen, sich solcherart freizupressen. Aber wird das auch künftig noch zutreffen, wenn nicht straffällig gewordene Schubhäftlinge in Strafanstalten überwiesen werden?
Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite