Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 105

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Gleichzeitig befassen wir uns auch mit der Novelle zum Behinderteneinstellungs­gesetz, wonach bauliche Barrieren am Arbeitsplatz – wieder mit der Minderung: „soweit es dem Arbeitgeber zumutbar ist“ – beseitigt werden müssen, und gleichzeitig ver­pflichtet es den Dienstgeber, gegen Belästigung am Arbeitsplatz vorzugehen.

Die Umsetzung der Barrierefreiheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist sehr, sehr schwammig formuliert. Während im Begutachtungsentwurf noch die Klagsmög­lichkeit auf Unterlassung und Beseitigung von Barrieren vorgesehen war, lässt der nunmehrige Entwurf nur noch eine Klage auf Schadenersatz zu. Das Einzige, was in diesem Entwurf fix geregelt ist, ist, wann gewisse Dinge in Kraft treten sollen.

Da der Entwurf am 1. Jänner 2006 in Kraft treten soll, sind diese Übergangs­bestim­mungen meines Erachtens viel zu lange. Was das Verlangen betrifft, bauliche Barrieren sofort abbauen zu lassen: In diesem Zusammenhang sind Strafen von 1 000 € reinstes Placebo!

Für Bauwerke mit einer Baubewilligung vor 1. Jänner 2006 – gleiches gilt auch für Verkehrsmittel, Verkehrseinrichtungen und Schienenfahrzeuge – gilt eine Umsetzungs­zeit bis zum Jahre 2015. – Meine Damen und Herren, das ist eindeutig zu lange! Was öffentliche Verkehrsmittel anlangt: Dafür gibt es einen Zeitrahmen bis 31. Dezember 2008, was aber für Menschen mit Behinderung auch viel zu lange ist.

Mit der vorliegenden Regierungsvorlage werden auch EU-Richtlinien mit zirka zweijäh­riger Verspätung – und das mehr als mangelhaft – umgesetzt. Die Schadenersatz­ansprüche für die bewiesene Diskriminierung bei der Begründung eines Arbeitsver­hältnisses sind nicht wirksam und auch nicht abschreckend, denn die maximale Strafe beträgt lediglich 500 €!

Auch dem Thema Bildung wurde nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet. Viele haben im Umgang mit behinderten Menschen Ängste und Hemmschwellen. Ein Abbau dieser Gefühle und Barrieren funktioniert daher am besten so, dass man solche Gefühle erst gar nicht entstehen lässt. Ein selbstverständliches Miteinander an Schulen von Kindesbeinen an würde sich daher geradezu als Lösung aufdrängen. Die Integration ist zwar gesetzlich verankert, wird aber unterschiedlich gehandhabt – und endet mit dem neunten Schuljahr.

Kaum Effekte für Betroffene gibt es auf dem Arbeitsmarkt. So sind im Jahre 2003 32 000 Stellen der 84 000 Pflichtstellen für behinderte Menschen nicht besetzt ge­wesen. Nicht einmal ein Viertel der Unternehmer hat die Einstellungspflicht erfüllt – und zahlt lieber die Ausgleichstaxe; dadurch wurden im Jahre 2003 75 Millionen € einge­nommen.

Wünschenswert wäre gewesen, wenn man der Intention der Antidiskriminierungs­richt­linie der EU mehr nachgekommen wäre, nämlich den Zugang behinderter Menschen zu Arbeitsplätzen zu erleichtern. Eine Betriebsvereinbarung zum Beispiel könnte die gesetzlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers konkretisieren. Außerdem wäre solch eine Vereinbarung ein positives Signal innerhalb eines Unternehmens und könnte zur Sensibilisierung beitragen. – Warum das in diesem Entwurf nicht vorgesehen ist – obwohl kostenfrei und frei gestaltbar –, ist für mich nicht nachvollziehbar.

Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten hat sich dieser Personengruppe beson­ders angenommen. Wir haben die meisten Behindertenvertrauensleute; ebenso haben wir die meisten Landesausschüsse im Behindertenbereich.

Folgende Kritik möchte ich auch noch anbringen: Ich vermisse in diesem Entwurf die Förderung des Behindertensports, die finanzielle Absicherung von pflegenden Ange­hörigen, die Schaffung einer günstigen Selbstversicherung für pflegende Angehörige sowie die Evaluierung und Weiterführung der Behindertenmilliarde – obwohl das Sie,


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