Bundesrat Stenographisches Protokoll 724. Sitzung / Seite 147

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Ich wage selbst zum Beispiel nicht zu beurteilen, zu richten und rechten über gewisse Gefühle, die Menschen haben. Ich kann es auch nicht genau beurteilen, aber es hat sicher auch sehr, sehr viele Menschen gegeben, die aus ganz anderen Gründen gewisse Dinge getan haben und nicht desertiert sind. Ich sage das auch einmal so, sage aber als Zweites dazu: Ich habe das ungemein große Privileg – viele andere werden das auch in sehr persönlichen Bereichen haben –, in den letzten Jahrzehnten einen Menschen als väterlichen Freund zu haben, der nach landläufigen Vorstellungen ganz sicher ein Deserteur ist: Fritz Molden.

Fritz Molden, ein Mann, der ungemein viel für das neue Österreich getan hat, der aber auf der anderen Seite auch die Bedeutung der Versöhnung und die Bedeutung der Gefühle und Sensibilitäten zum Ausdruck gebracht hat. Ich glaube, dass mit diesen insgesamt vier Gesetzen – auch mit den beiden, denen Sie nicht zustimmen können – letztlich auch hier der Versuch einer allgemeinen Versöhnung und einer allgemeinen Geste zum Ausdruck gebracht wird.

Da bin ich ja wieder ganz bei Ihnen: Ich glaube, es gibt drei Punkte, die im Gedanken­jahr 2005 sehr wichtig sind, auch in Fortsetzung dessen, was in den letzten Jahren an Aufarbeitungsversuchen unternommen wurde – ich spreche das hier auch an –, beginnend bei Bundeskanzler Vranitzky mit seiner Erklärung, aber insbesondere auch unter der Regierung Schüssel mit dem Versöhnungsfonds und der Tatsache, dass dort an der Spitze ein Mann steht, der ebenfalls eine Symbolfigur für dieses neue Öster­reich ist, nämlich Ludwig Steiner.

Erstens: ehrliche Auseinandersetzung mit unserer Geschichte, mit Licht- und Schatten­seiten, aber ohne Selbstgerechtigkeit und ohne den Versuch der Instrumentalisierung, mit großer Sensibilität und Sorgfalt.

Zweitens: wenigstens symbolische Akte und Gesten des Dankes, des Respekts, der Achtung und des Mitgefühls für Menschen zu setzen, die schwierigste Lebens­situationen meisterten beziehungsweise denen gröbstes Unrecht widerfahren ist.

Drittens: Wir alle sind aufgerufen, einen Beitrag für eine positive Zukunftsentwicklung zu leisten, denn die Formel „Nie mehr wieder!“ kann ja nur bedeuten, auch jedweder Versuchung totalitärer fundamentalistischer Entwicklungen im heutigen Gewande entgegenzutreten, jeder Form der Intoleranz und der Menschenverachtung schon in den Anfängen entschieden zu wehren und ein Klima der Toleranz auf den Grundfesten von Menschenrechten, Menschenwürdigkeit, Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit aktiv zu fördern.

Diese drei Punkte erscheinen mir sehr wichtig. Der zweite Punkt sind, wie gesagt, wenigstens symbolische Gesten und Akte. Ich habe auch auf den Versöhnungsfonds und auf diese Dinge hingewiesen.

Im Anerkennungsgesetz, das ganz allgemein, sehr speziell, aber auch ausgesprochen auf jene Gruppen abzielt, die in der großen Diskussion nicht so oft genannt werden, die uns aber auch sehr wichtig sind – die so genannten, wie es in dieser furchtbaren Diktion dieser unsäglichen Zeit geheißen hat, Asozialen, die so genannten sexuell anders Orientierten, insbesondere auch Roma und Sinti –, sind alle angesprochen, auch die NS-Militärjustiz-Unrechtsurteile – damit ist auch implizit die andere Sache ganz eindeutig angesprochen. Ich glaube, da sollte man insgesamt den breitest mög­lichen Konsens suchen. Insofern wäre es schön gewesen, wenn bei allen vier Geset­zen alle zugestimmt hätten, wenn ein gemeinsamer Akt gesetzt worden wäre.

Eine ganz kleine Geschichte, wieso ich trotzdem ein gewisses Problem gesehen habe – das ist aber eine rein formal-juridische Sache –: Im Anerkennungsgesetz heißt es nämlich im § 2 des Artikels I: „Der Nationalrat bezeugt“ den Betroffenen Achtung


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