Bundesrat Stenographisches Protokoll 725. Sitzung / Seite 90

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speziellen Problemgruppen nicht Rechnung getragen oder es wurde die Notwendigkeit dieser Betreuung nicht erkannt.

Neben diesen Defiziten steigen auch die sozialen Defizite immens, wie Unpünktlichkeit, Defizite betreffend den Umgang mit anderen, Teamfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit. (Bundesrat Dr. Böhm: Da ist auch die Regierung daran schuld?!) – Entschuldigung, wenn man im Bereich der schulischen ... (Bundesrat Dr. Böhm: Die Eltern haben nichts ...?) – Natürlich auch die Eltern. Keine Frage. (Bundesrat Dr. Böhm: Ah doch!)

Nur: Wenn man Stunden einspart, Lehrer einspart, wenn man diesem Aspekt keine Be­deutung beimisst, dann ist das das Ergebnis. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Dann sind sie falsch eingesetzt oder machen nicht das Richtige.

Ein Beispiel nur: Die Berufsorientierungslehrerinnen und -lehrer sollten sich zentral dem Thema Berufswahl und -orientierung widmen. Schauen Sie einmal nach, Herr Staatssekretär, was sie in den Stunden machen: Alles, nur nicht das, was sie machen sollten.

Die steigende Arbeitslosigkeit hat weitere negative Auswirkungen. Katastrophal ist die Entwicklung in der Steiermark bei den Firmeninsolvenzen, aber – und das ist noch erschreckender – auch bei den Privatkonkursen.

Waren die Personen im Jahr 2000 noch 31,5 Millionen € schuldig, so sind die Schulden im laufenden Jahr schon auf 44,7 Millionen € angestiegen. Meine Damen und Herren! Das ist eine Steigerung von 42 Prozent.

Keinen Job, keine Perspektive, einen zu bekommen, für Ältere, vor allem für Frauen mit Betreuungspflichten, aber auch für Personen mit Vermittlungseinschränkungen – das wurde heute im Zusammenhang mit dem Armutsbericht schon diskutiert. (Bundes­rat Höfinger: Kennen Sie die drei Hauptgründe für den Anstieg?) Bitte nennen Sie sie mir. (Bundesrat Höfinger: Das sind die Handys, die Versandhäuser und die Leasing­raten für Autos!) Ich komme jetzt gleich auf den Punkt zu sprechen, warum die Ver­schuldung unter anderem steigt; das wurde heute schon in der Debatte betreffend den Sozialbericht andiskutiert.

Jetzt möchte ich einmal Fakten aufzeigen: Ein männlicher österreichischer Arbeitsloser bezieht im Durchschnitt 788 €, eine Frau 628 €. Dazu kommen noch pro unterhalts­berechtigter Person 29 € als Familienzuschlag.

Noch schlechter schaut es bei der Notstandshilfe aus. Sie beträgt bei Männern durch­schnittlich 617 € im Monat, bei Frauen 476 €. – Die Armutsgrenze liegt bei etwa 780 €. Dieser Personengruppe droht absolute Armut! Sie haben auch die erwähnten Belas­tungen, die sie sich selbst auferlegen, durch Handys und so weiter, zu tragen, obwohl sie die grundsätzlichen Bedürfnisse des Lebens nicht mehr decken können: Mietrück­stände, Heizkosten, darüber wurde heute schon diskutiert.

Aber noch beschämender ist – und das müssen gerade Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, mitbekommen –: Es steht der Winter vor der Tür, und die Hauptschüler fahren auf Schulschikurs. Die Eltern trauen sich den Kindern nicht zu sagen, dass sie sich das nicht leisten können. Ein durchschnittlicher Schulschikurs kostet zwischen 300 und 350 €. Das Ergebnis ist, dass die Eltern die Kinder krank melden, damit diese nicht teilnehmen müssen, weil sie es sich nicht leisten können.

Kollege Mayer, so euphorisch wie Sie sehe ich die Wirtschafts- und Beschäftigungsent­wicklung nicht. Bis 2009 wird zwar das Beschäftigungspotenzial laut Wifo – bitte, hier habe ich es – in Österreich um 0,9 Prozent wachsen – in der Steiermark wesentlich geringer, nämlich nur um 0,7 Prozent –, und somit wird es zu keiner Entspannung auf dem Arbeitsmarkt kommen.

 


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