neu gewinnen muss. Da und in all dem, was er dazu gesagt hat, gebe ich dem Kollegen Kneifel vollinhaltlich Recht.
Die EU muss Antworten auf jene Fragen finden, die sich die Menschen heute stellen – und nicht auf ihre historischen Verdienste verweisen. Die EU ist immer noch ein großes Friedensprojekt, aber die nationalstaatliche Kriegsführung in Europa, so verhängnisvoll sie für diesen Kontinent war, liegt halt wirklich geschichtlich weit zurück und gehört nicht zu den Dingen, vor denen sich die Menschen heute fürchten.
Ich will es aber bei dem nicht bewenden lassen, sondern sehr wohl sowohl auf das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission und das Jahresprogramm des Rates – ganz kurz – als auch auf die Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen eingehen. Und ich sage dazu, dass ich das unter anderem deshalb tue, weil genau dort jene Punkte liegen, wo die Europäische Union nicht die richtigen Antworten findet, die die Menschen von der EU erwarten.
Wer sich ansieht, wie jene Stimmen formuliert haben, die das Nein in Holland und in Frankreich befürwortet haben, wer sich die Umfragen anschaut, die nachher gemacht wurden, der wird genau das finden: dass das anspruchsvolle Programm, das sich die EU in Lissabon gegeben hat – Kollege Kneifel hat darauf zu Recht verwiesen –, in der Praxis der Kommission nicht jenes integrierte Programm ist, das Investitionen, Förderung von Wissenschaft und Forschung, Ausbau der europäischen Infrastruktur, Erhöhung der Produktivität in Europa, aber eben auch die soziale Dimension, die soziale Sicherheit für die Menschen in Europa in den Mittelpunkt stellt. Denn es ist klar, die Sozialpolitik, die ist schon Sache der Mitgliedsstaaten, nur: Den Rahmen für die Sozialpolitik der EU-Mitgliedstaaten steckt die Kommission mit ab. Wir werden heute bei der Debatte über die Dienstleistungsrichtlinie auf diesen Gesichtspunkt noch mit eingehen müssen.
Wir sind der Meinung, dass die gegenwärtige Kommission nicht nur – das kommt hier sehr klar zum Ausdruck – in ihrem Programm sehr, sehr wenig ambitioniert ist. Lissabon hat sehr viel mehr als Horizont angeboten, als jetzt hier nachkommt. Die notwendigen EU-weiten Anstrengungen für mehr Wachstum und damit für mehr Beschäftigung, für die Finanzierung der Transeuropäischen Netze, für die Erreichung der Lissabon-Ziele insgesamt werden nicht durch die notwendigen konkreten und effizienten Maßnahmen angepeilt. Das fehlt in diesem Arbeitsprogramm! Die vagen Absichtserklärungen, die wir darin finden, werden nicht dazu beitragen, die Situation zu verbessern.
Wir finden keine Maßnahmen, die dazu beitragen könnten, das schädliche Steuerdumping zwischen den Mitgliedstaaten in den Griff zu bekommen, was ein ganz zentrales Anliegen wäre. – Das ist die eine Seite. Die Europäische Kommission wird hier der Größe der Aufgabe nicht gerecht.
Und wir finden, dass die österreichische Stellungnahme, die Jahresvorschau, diese Kritik bedauerlicherweise nicht zum Ausdruck bringt, dass sie diese geringen Ambitionen des europäischen Programms in Wirklichkeit nicht nur hinnimmt, sondern gutheißt. Und es fehlt uns jeder Hinweis darauf, dass in der künftigen oder in der zu formulierenden Haltung Österreichs zur finanziellen Vorausschau 2007 das klare Bekenntnis zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen in Wissenschaft, Forschung und Entwicklung, Transeuropäische Netze zum Ausdruck kommen würde – auch wenn das, und ich bekenne mich dazu, zu Lasten jener Mittel der Agrarförderung, die den großen Agroindustrien zukommt, gehen müsste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Vertreter der immer noch sehr kleinteiligen österreichischen Landwirtschaft irgendeinen Grund haben, diese Stoßrichtung nicht zu teilen, denn ihnen wird es mit Sicherheit nicht an den Kragen gehen.
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