BundesratStenographisches Protokoll727. Sitzung / Seite 27

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Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Maria Rauch-Kallat: Herr Präsident! Frau Bundesrätin! Es war mir ganz persönlich ein besonderes Anliegen, dieses Thema auf die Agenda der österreichischen Präsidentschaft in der Europäischen Union zu bringen. Ich sage Ihnen auch, ich bin ganz am Beginn meiner Zeit als Frauenministerin konfrontiert gewesen mit traditionsbedingter Gewalt gegenüber einer jungen Frau. Es hat sich hier um eine Zwangsheirat gehandelt. Der Fall Sabatina hat auch medial große Öffentlichkeit erlangt. Wir haben dann in weiterer Folge in Auseinandersetzung mit diesem Fall bei einer Podiumsdiskussion erfahren müssen, dass das kein Einzelfall ist, sondern dass nicht nur in Österreich, sondern in der gesamten Europäischen Union viele Frauen von dieser Form der Gewalt betroffen sind. Es sind primär Frauen mit Migrationshintergrund.

Selbstverständlich sind sowohl Zwangsheirat als auch Genitalverstümmelung in Öster­reich verboten. Nichtsdestotrotz findet sie statt, und zwar so, dass es ganz, ganz schwierig ist, Informationen zu bekommen. Wir haben uns daher entschlossen, dieses Thema in Österreich aufzugreifen, und haben eine Initiative aller sechs Ministerinnen gestartet: Maßnahmen gegen traditionsbedingte Gewalt. Ich werde mir erlauben, die Broschüre, die gerade erst fertig geworden ist, allen Bundesrätinnen und Bundesräten zur Verfügung zu stellen. Wir haben ein gemeinsames Aktionsprogramm für in Öster­reich betroffene Frauen entwickelt. Wir, das sind die Bundesministerin für Äußeres, für Inneres, für Justiz, für Soziales, für Bildung und ich selbst als Gesundheits- und Frau­enministerin.

Wir haben Fachgespräche zu diesem Thema angeregt und eine eigene Studie zu Genitalverstümmelung in Auftrag gegeben. Weitere Maßnahmen in diesem Aktionspro­gramm sind: die Erstellung einer Meldedatenbank über Fälle von Zwangsheirat und Genitalverstümmelung, die Aufnahme der Aufklärung über Genitalverstümmelung in die Curricula sowohl der Gynäkologinnen und Gynäkologen als auch der Kinderärztin­nen und Kinderärzte, die Errichtung von Notwohnungen für von Zwangsheirat bedrohte und betroffene junge Mädchen und Frauen. Wir haben einen entsprechenden Folder für Zielgruppen ausgearbeitet, vor allem für Lehrerinnen und Lehrer, aber auch für Poli­zistinnen, Polizisten, für Ärztinnen, Ärzte, für Schülerinnen und Schüler. Die Bildungs­ministerin bietet auch ein eigenes Seminar an, das von LehrerInnen angefragt werden kann, wenn sie das Gefühl haben, dass Mädchen im Alter von 13,14 in ihrer Klasse da­von betroffen sein könnten. Dieses Seminar kann im Rahmen einer Unterrichtsstunde abgehalten werden.

Es ist ein Thema, das eine Schande für Europa ist, dem wir alle in Solidarität entge­genwirken müssen, aber nicht alleine, wir müssen vor allem auch in Solidarität mit den Herkunftsländern diese Maßnahmen setzen. Es ist mir dankenswerterweise gelungen, nicht nur die Frauen der Europäischen Union dafür zu gewinnen. Wir haben auch hier im Parlament am 14. Oktober eine große Enquete mit den EVP-Frauen im Rahmen des ÖVP-Klubs abgehalten, und wir werden für alle GleichstellungsministerInnen eine große Konferenz dazu am 25. Jänner in Brüssel abhalten, gemeinsam mit der Kom­mission, mit Benita Ferrero-Waldner und auch dem Commissioner špidla. Wir werden dieses Thema in die Vereinten Nationen tragen, in die Commission on the Status of Women, zusammen mit vielen solidarischen Heimatländern. Ich habe bereits voriges Jahr im Rahmen dieser Konferenz viele bilaterale Kontakte zu MinisterInnen aus Afri­ka, aus Asien geknüpft, die bereit sind, diese Initiative zu gründen.

Es ist wichtig zu sagen – und das, glaube ich, ist für alle auch sehr wichtig zu wissen; auch ich habe das neu gelernt –, dass das nicht ein Religionsproblem ist, nicht nur ein muslimisches Problem, sondern es ist ein Traditionsproblem, ein Problem, das auch in christlichen afrikanischen Religionen Tradition hat. Also wir sollten uns hier nicht über irgendjemanden erheben, es können christliche Religionen genauso betroffen sein wie


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