Bundesrat Stenographisches Protokoll 730. Sitzung / Seite 13

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Wir sollten unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen – auch die können sich wieder ändern – die Nutzung dieser Möglichkeit beibehalten, in den direkten Dialog in erster Linie mit den Ländern, aber auch mit den großen gesellschaftlichen Organisationen unseres Landes zu treten, damit wir bei unseren Entscheidungen von einem breiten Spektrum an Meinungsäußerungen beraten und gestützt werden.

Der Bundesrat ist nicht der Erfüllungsgehilfe dieser oder irgendeiner Regierung. Er ist ein parlamentarisches Gremium, natürlich mit der vorrangigen Aufgabe – und dazu ha­ben wir heute auch Gelegenheit –, Interessen der Länder zu vertreten. Auf Grund der Form seiner Zusammensetzung, auf die auch die Frau Präsidentin hingewiesen hat, ist er ein sensibleres Instrument als der Nationalrat, um die Mehrheitsmeinung in der Be­völkerung wiederzugeben. Da die jeweilige Vertretung eines Bundeslandes nach einer Landtagswahl erneuert wird und diese zwar nicht öfter, aber in anderen Abständen als die Nationalratswahl stattfinden, ist die Mehrheit im Bundesrat das Resultat von neun Einzelentscheidungen und nicht nur einer Abstimmung. Dass sich seit dem Jahr 2002 etwas verändert hat, das kann ja nun jeder registrieren, gerade auch jeder, der im poli­tischen Leben steht.

Wenn wir diese Sondersitzung heute beantragt haben, ich sagte es schon, dann erstens, um ein breites Meinungsspektrum einzuholen, und zweitens, um zu vermei­den, dass Gesetze einfach durch Ablauf der Acht-Wochen-Frist in Kraft treten. Ich denke, niemand kann daran Kritik üben, dass sich der Bundesrat auch dann äußern und sich nicht verschweigen soll, wenn er ja sagt, und es wird einige Vorlagen geben, zu denen auch wir ja sagen in der Abstimmung, wo wir das In-Kraft-Treten nicht verhin­dern wollen. Dazu ist diese Sitzung ebenfalls notwendig.

Es hat im Dezember, als auf Grund der Fristsetzungsanträge für die ÖVP leicht auszu­rechnen war, wie wir vorgehen wollen, eine hektische Aufregung und große Kritik ge­geben, dass wir eine Sondersitzung anpeilen. Ich habe damals in einer Kurzwortmel­dung schon darauf hingewiesen, dass das ja nicht so ist, dass das ein Novum in der Geschichte des Bundesrates wäre. Wir haben im Jahr 2001, nicht in grauer Vorzeit, mit zumindest einem Akteur, der auch heute noch unter uns ist, eine Sondersitzung ge­habt, die die Fraktionen der ÖVP und der damaligen FPÖ beantragt haben. (Bundesrat Schennach: Das kann nur Bieringer gewesen sein!) – Ja, er leugnet es ja nicht!

Damals ging es nicht darum – und das macht vielleicht schon ein bisschen einen Un­terschied aus –, nach einer gründlichen, intensiven Beratung ja oder auch nein zu sa­gen, sondern es ging einmal mehr darum, eine Entscheidung des Verfassungsgerichts­hofes auszuhebeln, und daran soll immerhin erinnert werden. Es ging um die Bestim­mungen zu den Ambulanzgebühren. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes sollte im April 2001 veröffentlicht werden und damit rechtsverbindlich sein. Um das zu unterlaufen, gab es eine Sondersitzung und auch damals den Beschluss, dem Sozial­ausschuss eine Frist zu setzen. Am 4. April fand dann diese Sondersitzung auch statt. Diese Vorgangsweise wurde gewählt, um dem SPÖ-Vorsitzenden des Sozialausschus­ses die Möglichkeit zu nehmen, durch eine Unterbrechung der Sitzung ein rechtzeitiges In-Kraft-Treten der Sanierung gemäß dem Verfassungsgerichtshoferkenntnis zu ver­hindern.

Meine Damen und Herren! Wir alle – und ich übe daran nicht die geringste Kritik – nützen streng nach dem, was in unserer Geschäftsordnung steht, deren Möglichkeiten. Wir sollten uns das nicht gegenseitig vorwerfen, und wir sollten es uns schon gar nicht gegenseitig vorwerfen, wenn einer von uns auf eine originelle Idee kommt.

Wir werden – und das möchte ich zu diesem Abschnitt meiner Rede noch hinzufügen – selbstverständlich dabei bleiben, dass wir differenziert vorgehen. Der Bundesrat ist nicht nur nicht der Erfüllungsgehilfe der Regierung, er ist auch nicht das Werkzeug


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