BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 93

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Weiters muss uns aber bewusst sein, dass das Kernproblem nicht in der gar nicht so schwachen – natürlich verbesserungsfähigen! – verfassungsrechtlichen Stellung zu sehen ist, sondern in der parteienstaatlich geprägten Handhabung, besser gesagt Nicht-Handhabung der vorhandenen Instrumente. An diesem Problem werden auch zusätzliche Rechte nichts ändern. Deutlich sehen kann man das am Beispiel der völlig unbefriedigenden Handhabung unserer neuen Mitwirkungsmöglichkeiten im Verhältnis zur Europäischen Union. Eine Stärkung des Bundesrates wird also nur insoweit wirksam sein und über bloße Dekoration hinausgehen, als sie von innen und von den Ländern selbst kommt.

Im Bereich der Staats- und Verwaltungsreform hat die Bundesregierung ein umfang­reiches Programm mit vielen lange aufgeschobenen Vorhaben vorgelegt, die auch aus Sicht der Länder begrüßenswert sind. Ich nenne beispielhaft nur die Landes­verwaltungsgerichte, für einzelne Bundesländer die Herabsetzung des Wahlalters, für andere die Einführung der Briefwahl sowie die Klarstellung der Führungskompetenz des Landeshauptmannes in Katastrophenfällen.

Anderes wiederum fordert Wachsamkeit heraus, weil man erst am Schluss sehen wird, wie intensiv Einschränkungen der Landesgesetzgebung ausgefallen sein werden. Das gilt umso mehr, als das Subsidiaritätsprinzip im Regierungsprogramm zwar gegenüber der EU geltend gemacht wird, während man es im Kapitel „Staats- und Verwaltungs­reform“ vergeblich sucht. „Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“, dieses Sprichwort sollte auch hier beherzigt werden!

Die Gesamtbeurteilung für die Länder, und hier insbesondere für die Landtage, wird man also aus heutiger Sicht – nach meiner Einschätzung – mit „hoffnungsbereiter Vorsicht“ umschreiben können.

Zwei Vorhaben möchte ich kurz näher beleuchten. Das ist zunächst die Verbesserung der rechtlichen Voraussetzungen für interkommunale Zusammenarbeit. Sie ist unter anderem deshalb notwendig geworden, weil sich die traditionellen Grenzen mit der funktionalen Vernetzung von heute nicht mehr decken. Künftig können – besser als bisher – mit gemeinsamen Einrichtungen beispielsweise arbeitsteilige Kompetenz­zentren geschaffen und Ressourcen gebündelt werden, ohne die bürgernahe Eigen­ständigkeit der Gemeinden aufgeben zu müssen.

Der Gesichtspunkt der Bürgerbeteiligung ist mir auch bei einem zweiten Vorhaben wichtig, der Verlängerung der Gesetzgebungsperiode des Nationalrates auf fünf Jahre. Der Hinweis darauf, dass damit nur mit den Ländern und Gemeinden gleichgezogen werde, blendet nämlich Folgendes aus: Dort gibt es, im Gegensatz zum Bund, viel­fältige Instrumente direkter Demokratie, mit denen die Bürger nicht nur am Wahltag ihre Stimme erheben können.

Auf Bundesebene gibt es lediglich die faktisch zahnlosen Möglichkeiten von Volks­begeh­ren, Petitionen und Bürgerinitiativen gegenüber dem Nationalrat. Die Durch­führung einer Volksabstimmung oder Volksbefragung ist hingegen – anders als in den Ländern und den Gemeinden – dem Nationalrat allein vorbehalten. Das sollte wohl im Gegenzug zur Verlängerung der Gesetzgebungsperiode nach dem Beispiel der Länder und Gemeinden ausgeweitet werden, beispielsweise auch auf den Bundesrat.

Diese zwei Beispiele zeigen, dass das Regierungsprogramm viele gute Impulse enthält, aber auch für Diskussionen über die konkrete Umsetzung sowohl Notwendig­keit als auch Raum lässt. Es ist unsere Herausforderung, daran mitzuwirken, die dem Auftrag einer für die Länder auszuübenden Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung gerecht wird.

 


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