BundesratStenographisches Protokoll741. Sitzung / Seite 92

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derangelegenheiten an sich zu ziehen oder zumindest einheitlich zu regeln, wird auf eine noch notwendige Prüfung verwiesen oder die Absicht bekundet, mit den Ländern 15a-Vereinbarungen zu schließen.

In Einzelfällen wird auf diese Konsenssuche leider verzichtet. So ist beispielsweise ziemlich apodiktisch festgelegt, dass beim Schutzwasserbau – unter anderem auch Wildbach- und Lawinenverbauung – alle diesbezüglichen Agenden von Bund und Ländern in einer Agentur beim Landwirtschaftsministerium gebündelt werden. Abge­sehen von grundsätzlichen Bedenken gegen solche Agenturen und der zu diskutieren­den Zweckmäßigkeit einer solchen Zentralisierung ist hier von Verhandlungen mit den Ländern plötzlich keine Rede mehr.

Die Suche nach Konsens ist zwar, wie wir alle wissen, nicht immer einfach, aber sie hat sich, wie im Bereich der Sozialpartnerschaft, auch bei den Ländern und Gemein­den stets durch eine besondere Tragfähigkeit der Lösungen ausgezeichnet. Das gilt natürlich auch dort, wo es nicht um die Verteilung von Zuständigkeiten, sondern um die mit Vorhaben verbundenen finanziellen Belastungen geht. Der Einfachheit halber wurde den Ländern und Gemeinden verschiedentlich gleich schon einmal die Rute des Finanzausgleichs ins Fenster gestellt und signalisiert, dass man damit notfalls ein Druckmittel zur Durchsetzung seiner Interessen zur Verfügung habe.

So wehrlos sind die Länder und Gemeinden in einem Parteienstaat allerdings auch wieder nicht! Ohne motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Landes- und Gemeindeparteien sind die Bundesparteiobmänner nämlich am Wahltag dem Risiko einer gewissen Einsamkeit ausgesetzt. (Heiterkeit des Bundesrates Konecny. )

Auf ein zweites Druckmittel wurde zwar noch nicht explizit verwiesen, aber es liegt auf der Hand: Das ist die den Regierungsparteien zur Verfügung stehende Verfassungs­mehrheit im Nationalrat. Wenngleich man im Allgemeinen den Begriff Parlament häufig – zum Leidwesen der Kolleginnen und Kollegen hier – allein auf den Nationalrat bezieht, wird man das Kapitel „Parlamentarische Vorgangsweise“ am Beginn des Regie­rungsprogramms wie bisher wohl so verstanden wissen wollen, dass mit gemeinsamer Beschlussfassung auch der Bundesrat gemeint ist. Das erhebt letztlich den Anspruch, dass eine Mehrheit im Nationalrat zwangsläufig auch die Zustimmung des Bundesrates nach ziehen müsse.

Wie schon bei allen früheren derartigen Versuchen halte ich für mein Land fest: Eine solche faktische Ausschaltung des im Wege des Bundesrates verankerten Länderein­flusses auf die Bundesgesetzgebung wäre bundesstaatlich sittenwidrig und, wie bei Sittenwidrigkeit allgemein üblich, eine daraus abgeleitete Verpflichtung von vornherein nichtig. Es wird daher für mich dabei bleiben, im Bundesrat eine ablehnende Haltung meines Landes in wichtigen Fragen in Wort und Tat zu dokumentieren.

Vor der Nationalratswahl wurden die nach den letzten Landtagswahlen gegebenen neuen Stärkeverhältnisse im Bundesrat als Chance für die Länder dargestellt, weil jetzt – ich zitiere eine SPÖ-Aussendung vom 30. November 2005 – „der Bundesrat zeigen kann, wozu er gut ist“. – Ende des Zitats. Erstmals sei nun, so die SPÖ weiter, die Gelegenheit gegeben, föderale Anliegen über die parteipolitischen Interessen der Regierungsparteien zu stellen. – Wir werden sehen, welches Ablaufdatum diese Ankündigung hat.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Kritik eingehen, das Regierungspro­gramm enthalte zur Stärkung oder Neuordnung des Bundesrates keine Aussagen. Das ist richtig, und es hängt zunächst damit zusammen, dass diese Frage nicht losgelöst von den Verhandlungen mit den Ländern über eine bessere Verteilung der Gesetz­gebungs- und Vollziehungszuständigkeiten und eine wirksamere Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung behandelt werden kann.

 


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