BundesratStenographisches Protokoll745. Sitzung / Seite 88

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unsere Stellungnahmen in solchen Fällen sein? Oder gibt es auch Mehrheitsstellung­nahmen, die einzelnen Bundesländern nicht nur nicht Rechnung tragen, sondern deren Meinung geradezu widersprechen? – Das sind also alles Fragen, an die wir uns heran­arbeiten müssen.

Zum sachlichen Gehalt des Entschließungsantrages ist nicht mehr allzu viel zu sagen. Vielleicht noch so viel, dass in beiden Fällen einer stärkeren Verfassungsautonomie oder Gesetzgebungsautonomie der Länder Rechnung getragen wird. Es wird den Län­dern ja nichts vorgegeben – auch im Fall des Aushanges der Wählerverzeichnisse nicht. Da haben ja die Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern von vornherein die Alternative: Entweder hängen sie eine Liste auf – künftig: in der Wohnung 8 wohnen zwei Personen; bisher: ein Männlein und ein Weiblein –, oder sie hängen ein Namensverzeichnis aus. Das ist ja auch eine Möglichkeit. Hinderlich war lediglich, dass beispielsweise die Stadt Wien, die sich aus guten Gründen für die Variante eins entschieden hat, dabei eingeengt war, sich nicht aussuchen zu können: Belässt sie es bei der geschlechtsneutralen Benennung oder muss sie das differenzieren. – Das ist also ohne Frage ein Vorteil.

Gleiches gilt für das Wahlrecht für Auslandsösterreicher, das man Anfang der neunziger Jahre vorerst einmal für den Nationalrat eingeführt hat, weil das der Verfas­sungsgerichtshof aufgrund eines Beschwerdefalles vorgegeben hat. Es war sicherlich zweckmäßig, damit Erfahrungen zu sammeln. Sie sind positiv, und daher stellt sich natürlich die Frage, warum das auf den Nationalrat beschränkt sein soll und sich nicht auch auf die zweite Gesetzgebungsebene, jene der Länder, erstrecken soll, wobei völlig klar ist, dass man es in diesen Fällen auf den Anknüpfungspunkt des letzten ordentlichen Wohnsitzes in Österreich beschränken wird – und nicht so wie bei den Auslandsösterreichern aus ganz anderen Erwägungen auch bei der Enkel- und Urenkelgeneration noch das Wahlrecht konstituiert. – Auch in diesem Fall bliebe es den Ländern völlig freigestellt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen oder auch nicht.

Es hätte im Begutachtungsverfahren noch viele andere Dinge gegeben, etwa die Frage hinsichtlich der Frist, innerhalb der die Länder ihre Wahlordnungen an die Briefwahl­möglichkeit anpassen müssen. Da findet sich in der Regierungsvorlage die Vorschrift: 

„Die landesrechtlichen Vorschriften sind binnen einer Frist von x Monaten“ – „x“ hier im Sinne von unbekannt, nicht im Sinne von „zehn“ – „nach dem Monat der Kund­machung ... anzupassen.“

Da stellt sich natürlich schon die Erwartung an den Nationalrat, dass hier eine angemessene Frist vorgesehen werden möge, weil ja in den Ländern auch ein entsprechender Vorlauf an Beratung notwendig ist, und nicht zuletzt deshalb, weil die Nationalrats-Wahlordnung ein dreistufiges Auszählungsverfahren für die Briefwahlstim­men vorsehen wird. Das mag bei der Nationalratswahl möglich sein, dass man das auf der Ebene der Bezirkswahlbehörde macht, bei den Gemeindevertretungs­wahlen beispielsweise nicht. Und da kann es natürlich in kleineren Gemeinden zu erheblichen Kollisionen mit dem Schutz des Wahlgeheimnisses kommen, denn wenn es zuerst 54 Stimmen waren, und nach drei Tagen waren es 55, und man weiß, wer von der Briefwahlmöglichkeit Gebrauch gemacht hat, dann lässt sich unschwer erraten, wem das zuzuordnen ist. Das ist ein nicht wünschenswerter Zustand.

Nun kann man sagen: Na gut, dann sollen sie es bei der Gemeindevertretungswahl anders machen! – Das ist dann insoweit ein Problem, als wir dann bei den einzelnen Wahlgängen völlig unterschiedliche Rücksendebestimmungen hätten, was auch nicht


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