BundesratStenographisches Protokoll746. Sitzung / Seite 65

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

in einem Gemeinderat, weil seine Partei nach ihrer Stärke 15 Mandate erhalten hat und er einer dieser 15 war. In den angesprochenen anderen Fällen verhält es sich umge­kehrt: Da hat der Wähler die Möglichkeit, Kandidaten verschiedener Parteien anzu­kreuzen – man wählt also in erster Linie nicht Parteien, sondern Kandidaten. Eine Partei hat also deshalb 15 Sitze in einer Körperschaft, weil sie 15 Kandidatinnen und Kandidaten, die vom Wähler ausreichend unterstützt worden sind, auf ihrer Liste hatte. – Das ist ein ganz anderer Zugang, es ist ein persönlichkeitsorientiertes Wahl­recht, das mir persönlich auch recht gut gefallen würde.

Nun zum eigentlichen Thema mit zwei Vorbemerkungen – weil das Bundeskanzleramt repräsentiert ist, zunächst etwas zu den legistischen Richtlinien –: Wir beschließen heute Änderungen des ASVG in zwei verschiedenen Gesetzesbeschlüssen und unter zwei verschiedenen Tagesordnungspunkten, nämlich im Sozialrechts-Änderungs­ge­setz unter Tagesordnungspunkt 7 und in der Reisekosten-Novelle, die auch einen Zugriff auf das ASVG macht.

Der Grund dafür ist, dass es drei verschiedene Regierungsvorlagen und zwei ver­schiedene Nationalratsausschüsse gab – der Sozialausschuss hat immerhin zwei Regierungsvorlagen zu einem Gesetzesbeschluss verdichtet. Es ist aber darauf hinzu­weisen, dass das regelmäßig vom Verfassungsgerichtshof kritisiert wird, weil es der Erkennbarkeit und der Verständlichkeit des Rechtes nicht sehr förderlich ist, wenn ein Gesetz unter zwei verschiedenen Titeln an ein und demselben Tag durch zwei Gesetze verändert wird.

Eine Vorbemerkung zu unserer Arbeit im Zusammenhang mit der EU – damit ich mich nachher nicht noch einmal zu Wort melden muss –: Wir erhalten von allen Ressorts zu Jahresbeginn Berichte über das Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission mit der Intention, dazu Stellung nehmen zu können; wir nehmen sie allerdings nur sehr gemächlich in Behandlung. Vier Berichte haben es noch nicht auf die Tagesordnung geschafft, obwohl das erste Halbjahr bereits bald um ist. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass eine ernsthafte Diskussion von Arbeitsprogrammen wohl nur zu Beginn der Arbeit sinnvoll ist, und nicht, wenn sie bereits zur Hälfte durchgeführt ist.

Heute und morgen tagt der Europäische Rat. Obwohl neben dem Verfassungsvertrag auch das innenpolitisch bedeutsame Thema Migration auf der Tagesordnung steht, geht das im Gegensatz zum Nationalrat an unserer Mitwirkungsmöglichkeit spurlos vorüber. Ich möchte schon darauf hinweisen, dass wir nicht erwarten können, dass unsere Arbeit von den Ländern und der Öffentlichkeit ernster genommen wird als von uns selbst.

Nun zum Inhalt der Verfassungsnovelle: Die BVG-Novelle enthält mit dem Wahlrecht für Auslandsösterreicher auch für die Landtagswahl eine Bestimmung, die auf eine Entschließung des Bundesrates zurückgeht, mit der wir – sozusagen als Testlauf für die Funktion eines späteren Stellungnahmeverfahrens – Anregungen aus dem Begut­achtungsverfahren aufgegriffen haben. Dass das Land Tirol nachträglich eine ab­weichende Meinung mitgeteilt hat, ist eine Bekräftigung der Skepsis daran, ob wir mit den bisherigen Strukturen für die Komplexität einer ausreichend verbindlichen Koor­dination der Länderstandpunkte in einem Stellungnahmeverfahren schon gerüstet sind.

Die von Tirol mitgeteilten Bedenken, die von anderen Bundesländern durchaus nicht geteilt werden, beziehen sich im Wesentlichen darauf, dass mit einer Ausweitung des Wahlrechtes eine Ausweitung der Landesbürgerschaft im Allgemeinen verbunden wäre – Tirol gehört ja zu den Ländern, welche die Landesbürgerschaft und damit das Landtagswahlrecht an den Hauptwohnsitz und nicht bloß an einen Wohnsitz knüpfen, wie das in anderen Ländern gemacht wird.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite