BundesratStenographisches Protokoll746. Sitzung / Seite 102

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Die Sensibilisierung der Gesellschaft, ja, die gibt es aber zum Teil schon, denn gerade in dem angeführten Fall haben sich auch Menschen gemeldet, die überhaupt nicht berichts­pflichtig sind, nämlich Nachbarn – was bis jetzt nicht immer so selbstver­ständlich war. Wir kennen unzählige Fälle, wo alle Nachbarn sich die Ohren und Augen zugehalten und so getan haben, als wäre nichts. In diesem Fall haben sich die Nachbarn gemeldet und haben gesagt, wir glauben, da stimmt etwas nicht.

Dritter Punkt ist, dass sich die Behörde nicht abschrecken lassen darf, vor allem dann nicht, wenn man Angehörigen einer offensichtlich gut situierten, gebildeten Schicht gegenübersteht und man sich denkt, das kann nicht sein, denn was nicht sein darf, auch nicht sein kann, und sich dann damit zufrieden gibt, dass die Eltern sagen, es ist eh alles in Ordnung. Die drehen dann am Absatz um und gehen wieder, und in Wirklichkeit spielen sich Dramen hinter den verschlossenen Türen ab. Also da muss man die Menschen, die das durchsetzen sollen, stärken, damit sie sich nicht gleich abweisen lassen, sondern der Sache wirklich auf den Grund gehen.

Aber natürlich ist eine gewisse Zivilcourage von uns allen gefragt. Ich habe solche Situationen schon öfter erlebt in U-Bahn und Straßenbahn, und ich bin auch nicht immer – ich gebe es zu – eingeschritten. Ich glaube, es reicht manchmal nicht, nur zu sprechen, manchmal muss man auch Maßnahmen setzen. Es geht nicht anders, denn jede Aktion hat auch eine Reaktion zur Folge. Wenn in der Straßenbahn hinten Jugendliche oder Kinder zu raufen beginnen, dann muss man, ehrlich gesagt, dazwischengehen, da reicht es nicht zu sagen, tut das nicht, denn da kriegt man normalerweise eine Antwort, die man vielleicht nicht so gerne hören möchte.

Das Jugendwohlfahrtsgesetz, ein zehn Jahre altes Gesetz, wo sich so viele Rahmen­bedingungen geändert haben, so viel in dieser Zeit passiert ist, muss eigentlich von Grund auf durchforstet und geändert werden mit einer möglichst breiten Einbindung aller daran beteiligten Personen. Der Name ist mir da, ehrlich gesagt, als Allerletztes wichtig, ich kann einstweilen mit „Jugendwohlfahrtsgesetz“, auch wenn es ein bisschen veraltet klingt, ganz gut leben. Wenn wir das Maßnahmenbündel geschnürt haben, kann man immer noch über den Namen nachdenken. Vielleicht findet man irgendetwas Griffiges – wenn nicht, dann würde ich den alten Namen einfach beibehalten.

Wichtig ist, dass es einen möglichst breiten Konsens gibt. Das wird wichtig sein. Positiv finde ich auch die Anregung einer Enquete, wo alle eingebunden werden und sich äußern und auch ihren Beitrag dazu liefern können, der dann vielleicht auch im Gesetz Berücksichtigung finden wird. Es soll manchmal vorkommen, dass auch Vorschläge der Opposition aufgegriffen werden. Das halte ich für eine gute Sache und für durchaus zielführend, weil wir ja auch noch andere Probleme haben.

Die Familien zu stärken halte ich wirklich für eine ganz wichtige Sache, auch die Ver­antwortung der Eltern. Wenn sich ein 10-Jähriger ins Koma säuft und das zu Hause passiert, während die Eltern oder ein Elternteil da ist, und man sie dann fragt, ob sie nichts mitbekommen haben, bekommt man als Antwort: Wir wollten nicht die Fete unseres Kindes stören. – Also eine gewisse Kontrolle über die Kinder muss man schon haben.

Der ganze Themenkreis Gewalt an den Schulen gehört auch vernetzt: Polizei–Schule–Jugendwohlfahrt. Es wäre auch sehr sinnvoll, in dem Zusammenhang darüber nachzu­denken, ein bundeseinheitliches Jugendschutzgesetz zu machen, anstatt dass in jedem Bundesland andere Regelungen gelten. Ich halte das wirklich für richtig und zielführend.

Ich sehe es auch so: Der Familienverband, wo man sich noch über die Generationen hinweg abschauen konnte, wie macht das die Großmutter, wie macht das die Mutter, wenn mehrere Geschwister da sind: wie geht man damit um, wenn es einen Konflikt


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