BundesratStenographisches Protokoll751. Sitzung / Seite 225

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Frau Minister, Sie haben eine so schöne Broschüre herausgegeben. Es ist ja alles rich­tig, was Sie darin schreiben, und durchaus auch unterstützenswert. Ich bin trotzdem der Meinung, dass wir das im bestehenden System eigentlich auch machen können.

Erster Punkt: Forderung und Förderung. Leider – das kann ich jetzt speziell nur von Wien sagen – ist bei der Förderung das Auge nur auf die schwachen Schüler gerichtet worden. Jetzt sollen die schwachen Schüler gefördert werden, aber die begabten Schüler sind dabei völlig übersehen worden. Ich weiß nicht, ob es Zahlen darüber gibt, aber ich möchte nicht wissen, wie viele sehr begabte Schüler aus lauter Langeweile irgendwo bei den schlechten Schülern eingereiht waren, weil sie ja auch die schlechten Noten bekommen haben, ohne dass irgendein Lehrer erkannt hat, dass hier ein völlig unterfordertes Kind sitzt.

Das vermehrte Angebot von Nachmittagsbetreuung: Ja, das kann man im jetzigen Schulsystem auch machen. Ich bin durchaus dafür, das anzubieten – aber nicht als Zwang, dass es jeder machen muss. Freiwillige Nachmittagsbetreuung, um sich teure Nachhilfe zu ersparen: ja. Denn da zahlen die Eltern wirklich viel, und das muss nicht sein.

Individualisierung und Differenzierung: Ja, es ist nichts dagegen einzuwenden – auch in Hinblick darauf, dass die Begabten dabei nicht zu kurz kommen.

Fächerübergreifender Unterricht: Na selbstverständlich! Das machen übrigens einige Schulen auch durchaus in Eigeninitiative – zum Beispiel an der Schule meiner Kinder war das so –, und zwar auch fächerübergreifend zum Beispiel auf Englisch, um das zu trainieren. Es ist eine gute Sache, aber das alles man kann auch jetzt schon machen.

Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit: Das sollte eigentlich selbstverständ­lich und überhaupt kein Thema mehr sein. Dabei glaube ich trotzdem – auch und ge­rade dann, wenn wir von Geschlechtergerechtigkeit reden –, wir sollten nie vergessen, dass es natürlich Unterschiede zwischen Buben und Mädchen gibt. Dabei fällt mir ein, dass es durchaus auch etwas ganz Wesentliches wäre, wenn wir an den Volksschulen verstärkt Männer dazu bekommen könnten, zu unterrichten, weil vielen Schülern die männlichen Leitbilder fehlen.

Das alles sind Dinge, die ich auch unterschreiben kann, die aber durchaus jetzt schon umsetzbar sind, ohne dass ich dafür dieses Modell Neue Mittelschule brauche und ohne dass ich dafür nicht unerhebliche Kosten in die Hand nehmen muss. Ich denke, es wäre wirklich gescheit, dieses Geld für das jetzige System in die Hand zu nehmen, um dieses zu verbessern, und es nicht in ein Modell hineinzustecken, wobei dann die anderen entsprechend weniger bekommen. (Bundesrat Breiner: Ein altes Sprichwort heißt: Reite kein totes Pferd!)

Noch etwas ist mir wichtig, weil ja immer, seit es die PISA-Studie gibt – ich komme noch einmal darauf zurück –, Finnland als so vorbildhaft hingestellt wird. Ich möchte nur daran erinnern, dass die Schweden das gleiche Modell wie die Finnen haben. Die Schweden sind aber nicht so gut wie die Finnen, die Schweden sind bei der letzten PISA-Studie hinter uns gewesen; da kann man um zwei Plätze streiten.

Ich bin sowieso nicht der Meinung, dass man bei PISA so wie das Kaninchen vor Schlange sitzen und sagen muss: Es ist alles ganz furchtbar, wenn wir nicht einen ge­wissen Platz haben, den wir uns erträumt haben. Das wird jetzt leider gemacht, aber ich sehe das nicht so. Doch wenn man es schon tut, dann sollte man ehrlicherweise auch sagen: Nicht immer muss ein System, das bei jemandem gut funktioniert, beim anderen genauso gut funktionieren.

Ich glaube daher, 33 Jahre lange Schulversuche, die zum Teil nie evaluiert worden sind, die immer noch weitergelaufen und auch nicht ins Regelschulwesen übernommen


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite