BundesratStenographisches Protokoll751. Sitzung / Seite 227

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ehrlich sagen, ich bin noch nicht so lange in der Politik, aber manchmal gehe ich nach folgendem Spruch vor, der da lautet: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach, die ich vielleicht nie bekomme.

Man muss aber immer – und das ist auch gut so – zielorientiert arbeiten, hinschauen und sagen, wo wir hingehen müssen. Und da sage ich hier ganz bewusst, dass ich denke, dass wir in Richtung einer gemeinsamen Schule gehen müssen. Ich sage be­wusst nicht „Gesamtschule“, denn Gesamtschule ist die Verwirrung aller Möglichkei­ten, die man als Pädagoge – sagen wir als „Polit-Pädagoge“ – ausschöpfen kann.

Wir reden zwar heute über ein Schulorganisationsgesetz, aber es handelt sich dabei nicht um eine Veränderung der Organisation – nur auf den ersten Blick vielleicht –, sondern es handelt sich zweifelsohne um ein pädagogisches Konzept, und das ist et­was anderes. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb bitte ich: Tun wir hier nicht so, als gehe es bloß darum, dass man von zwei Schulgebäuden die Wand zueinander öff­net, vorne ein Etikett drauf gibt und dann eben sagt: Das ist unsere neue Schule.

Warum verwahre ich mich dagegen? – Erstens: Der Begriff „Gesamtschule“ stammt aus einem Land, dass zusammen mit uns unter allen EU-Ländern noch zu den zwei Ländern gehört, die sehr wohl noch dieses selektive Schulsystem haben, nämlich Deutschland. Weil dort Folgendes passiert ist, kann ich Sie oder dich, Kollege Breiner, natürlich auch ein Stück weit verstehen – wirklich –: Wir müssen darauf achten, und das ist unser Auftrag, dass nicht das passiert, was in Deutschland passiert ist und uns ständig vorgehalten wird. Dort gibt es nämlich neben drei oder vier Schultypen auch noch die Gesamtschule.

Wir sind zum Großteil hier alle auch Eltern. Wir wissen, wie Eltern gerade in Österreich argumentieren: Sicher ist sicher! Gehen wir lieber in die AHS! Wer weiß, was das da mit der Neuen Mittelschule ist?! Das heißt zwar ähnlich, denn wir gehen auch in die Mittelschule. Was ist das Neue daran? Machen wir lieber das Alte und schauen zu, wie es läuft! Für die Enkelkinder vielleicht.

Das sind aber sehr fortschrittliche Eltern, die eigentlich sehr offen sind. Und deshalb bitte ich alle, die hier herinnen sind, dass wir hier die Begriffsverwirrung nicht fortset­zen, sondern sagen, dass es um etwas Gemeinsames geht.

Ich habe das im ersten Redebeitrag gesagt. Das, was zusammengehört, müssen wir zusammenwachsen lassen. Deshalb in Richtung der grünen Fraktion: Setzen wir einen ersten Schritt, und setzen wir den gemeinsam, wenn es irgendwie geht.

Jetzt sage ich etwas zum pädagogischen Konzept. Warum sage ich das mit so einer Überzeugung? – Erstens: Wenn wir in einer demokratischen Gesellschaft letztendlich wollen – nachzulesen bei Hartmut von Hentig –, dass junge Menschen ein Leben lang friedlich zusammenleben, dann müssen wir es in den Jahren, in denen sie das erlernen und da hineinwachsen – Wählen mit 16 Jahren gibt es jetzt, das heißt, es geht genau um das Alter davor –, ermöglichen, dass alle jungen Menschen zusammen lernen und in diese Gesellschaft hineinwachsen können. – Das ist ein pädagogisches Grundprin­zip und kein Organisationsprinzip!

Zweiter Aspekt: Wenn ich individualisieren will, dann hat das für mich mit einem Men­schenbild zu tun und – ich sage das für mich – auch mit einem christlichen Menschen­bild. Ich gehe von Folgendem aus: Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Es gibt keinen Menschen, der nur Schwächen hat, und es gibt keinen Menschen, der nur Stär­ken hat. Am allerbesten kann man formen, stärken und die Schwächen ein Stück weit schwächen, wenn man das zusammenlässt, das heißt, der Stärkere den Schwächeren, aber auch der Schwächere in seinen Stärken den Stärkeren dort, wo dieser seine


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