BundesratStenographisches Protokoll768. Sitzung / Seite 64

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

Es wird nur sehr mangelhaft angeführt, warum einzelne Maßnahmen angeblich oder wirklich notwendig sind und aus welchen Gründen ein Eingriff in die Grundrechte statthaft sein soll.

Ein konkretes Beispiel: Mit dem Stockholmer Programm wird der sogenannte Verfüg­bar­keitsgrundsatz angestrebt. Damit soll unionsweit ein Strafverfolgungsbeamter, der in seinem Mitgliedstaat tätig ist und für die Erfüllung seiner Aufgaben Informationen braucht, diese ohne Weiteres aus einem anderen Mitgliedstaat erhalten können. Die Strafverfolgungsbehörden in dem anderen Mitgliedstaat – also zum Beispiel in Öster­reich – müssen die Informationen für den erklärten Zweck bereitstellen.

Um dies effizient zu machen, sollen systematisch alle nationalen Datenbanken ange­glichen werden, damit bei diesen Anfragen die Daten ohne Zwischenschaltung irgendeiner menschlichen Instanz auch online abgerufen werden können. In einem weiteren Schritt soll diese Systematik aus der Strafverfolgung in den präventiven Bereich, also insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus ausgeweitet werden. Da sind wir schon sehr an den Grenzen dessen, was österreichischer Rechtsschutz ist! Hiezu müssen wir sehr ernsthaft nachdenken, ob der mögliche Erfolg bei der Straf­verfolgung eine solche Infragestellung eines fundamentalen Verfassungsgrundsatzes in Österreich rechtfertigen kann.

Einer der wichtigsten Grundsätze bei der Erstellung von Datensammlungen in Öster­reich ist der Grundsatz der Zweckbindung. Die Daten werden zu einem bestimmten Zweck, etwa für die Steuer, gesammelt und dürfen dann nur für diesen Zweck verwendet werden. Diesen Grundsatz müssten wir bei Exekutierung des Stockholmer Programms im Nachhinein schlicht und einfach aufgeben. Was bei uns an Daten gesammelt wird, müsste dann für jeden Zweck auf Anforderung eines Verfolgungs­beamten in einem Mitgliedstaat zur Verfügung gestellt werden beziehungsweise sollte das auch direkt online abrufbar sein!

Innerstaatlich ist dazu zu sagen, dass damit alle Datensammlungen von Behörden eigentlich ihre verfassungsrechtliche Grundlage verlieren würden, weil dieser Zweck­bindungs­grundsatz in jedem einzelnen Fall innerstaatlich aufrechterhalten wird. Das ist also nicht etwas, das man leichtfertig abtun kann, sondern die Konsequenzen eines solchen Schrittes wären in Wirklichkeit gar nicht abschätzbar!

Von noch größerer Tragweite ist jedoch für die österreichische Verfassungsstruktur das so genannte Rechtsstaatlichkeitsprinzip. Ein wichtiges Kriterium dafür bestünde darin, dass die das Gewaltmonopol des Staates repräsentierenden Sicherheitsbehörden durch unabhängige Organe überprüft werden könnten. Diese Überprüfung ist jedoch für den Datenaustausch im Rahmen des Stockholmer Programms nicht vorgesehen. Mögliche Organe, die das leisten könnten, werden seitens dieser Programmplanung weder vorgeschlagen noch angesprochen.

Ebenso zeichnet das österreichische Rechtsstaatsprinzip aus, dass ab einer gewissen Schwere des Eingriffs richterliche Genehmigungen als Voraussetzungen eingeholt werden müssen. Auch dieser Rechtsgrundsatz findet sich im Stockholmer Programm nicht einmal ansatzweise!

Unterm Strich: Die im Stockholmer Programm zusammengefassten Vorhaben würden in Österreich – aber sicher auch in anderen Mitgliedstaaten – die Rechtsstaatlichkeit, wichtige Verfassungsgrundsätze und das österreichische Niveau des Datenschutzes fundamental unterlaufen. Ob das von der Mehrheit der Österreicherinnen und Öster­reicher, aber auch von den politischen Repräsentanten, auch in dieser Kammer, unterstützt werden soll, halte ich für mehr als fraglich.

 


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite