BundesratStenographisches Protokoll804. Sitzung / Seite 75

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Neben diesen formellen Kontrollen des Weisungsrechts möchte ich Ihnen aber auch die inhaltliche und praktische Handhabung des Weisungsrechts darstellen. Die Unab­hängigkeit der Rechtsprechung ist, und ich glaube, da sind wir uns alle einig, ein sehr hohes Gut. Und auch die Staatsanwälte sind, wenngleich weisungsgebunden, gemäß Artikel 90a B-VG Organe der Rechtsprechung.

Meinem Verständnis einer unabhängigen und lediglich dem Gesetz verpflichteten Justiz folgend werden Berichte der Staatsanwaltschaften daher nicht dahin gehend geprüft, welche Richtung der Erledigung den Wünschen des Justizministeriums, der öffentlichen Meinung oder wessen Anliegen auch immer entspricht. Der allein ausschlag­gebende Maßstab für die Erteilung einer Weisung durch die Bundes­ministerin für Justiz ist vielmehr die sachliche und rechtliche Vertretbarkeit des staats­anwaltschaftlichen Vorhabens aufgrund der bestehenden Aktenlage und natürlich auch aufgrund der geltenden Rechtslage.

Mit anderen Worten: Weisungen werden nur dann erteilt, wenn eine unvertretbare Entscheidung in Aussicht genommen wird, eine unvertretbare Entscheidung im Sinne von fehlerhafter Entscheidung, denn, ehrlich gesagt, Fehler passieren überall und können natürlich auch in diesem Bereich passieren.

Nach der gängigen Praxis der zuständigen Strafrechtssektion im Justizministerium werden bei der Prüfung der Berichte der Staatsanwaltschaften aufsichtsrechtliche Maßnahmen immer nur dann ergriffen, wenn die Vorgangsweise rechtlich nicht vertretbar oder die Entscheidungsgrundlage noch nicht hinreichend ist oder wesent­liche Beweisergebnisse nicht berücksichtigt wurden. Konkret zur Prüfung der Beweis­würdigung wendet die Strafrechtssektion im Justizministerium die vom Obers­ten Gerichtshof in der zu den Grenzen der gerichtlichen Überprüfung im Rahmen eines Fortführungsantrages dargelegten Maßstäbe an. Das heißt, dass die Justizministerin in Ansehung der Beweiswürdigung der Staatsanwaltschaften nur prüft, ob die Staats­anwaltschaft den Rahmen pflichtgemäßen Ermessens überschritten hat. In derartigen Fällen wird entweder um ergänzende Berichterstattung ersucht oder mittels Weisung die erforderliche Anordnung getroffen.

Vor diesem Hintergrund werden Sie nachvollziehen können, dass ich das Weisungs­recht in der jetzt bestehenden Form wirklich begrüße und sehr positiv bewerte. Aufgrund der bestehenden Gesetzeslage besteht völlige Transparenz über die erteilten Weisungen. Inhaltlich betrachtet dient das Weisungsrecht dazu, allenfalls vorkom­mende Fehler in der sachlichen oder rechtlichen Beurteilung durch die Staatsan­walt­schaften bereits innerhalb der Willensbildung durch die Staatsanwaltschaften zu vermeiden. Insoweit dient das Weisungsrecht der Justizministerin daher auch und vor allem dem Rechtsschutz.

Diesen Anforderungen werden auch die in diesem vorliegenden Bericht dargestellten im Berichtszeitraum ergangenen 13 Weisungen in bereits beendeten Verfahren gerecht. Der Maßstab der rechtlichen Kontrolle wurde in keinem Fall überschritten, wie zum Teil auch bestätigende gerichtliche Entscheidungen beweisen.

Aber, Hohes Haus, ich glaube, es ist auch von ganz zentraler Bedeutung, dass ein demokratischer Rechtsstaat natürlich auch eine Begründung für staatliches Vorgehen verlangt. Begründung bedeutet natürlich auch Aufwand und Belastung, aber nur sie gewährleistet auch die Möglichkeit zur Reflexion, die Fähigkeit, einen einmal eingenommenen Standpunkt auch zu überdenken und Beweisergebnisse miteinander und in ihrem Zusammenhang abzuwägen. Eine überzeugende und schlüssige Begrün­dung trägt stets zur Akzeptanz der Entscheidung bei und stellt damit auch ein ganz wesentliches Element eines tragfähigen Vertrauens in die Funktion unseres Rechts­staates dar.

 


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