BundesratStenographisches Protokoll814. Sitzung / Seite 31

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Mit dem 14. Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das am 1. Juni 2010 in Kraft getreten ist, wurden Maßnahmen getroffen, die – gemein­sam mit internen Reformschritten am EGMR - zu einer Erhöhung der Zahl der Ent­scheidungen des EGMR geführt haben. Dennoch wurden die bereits erreichten Ver­besserungen von einigen Staaten als unzureichend angesehen. Aus diesem Grund wurde mit Konferenzen in Interlaken im Jahr 2010 und in Izmir im Jahr 2011 ein neuer­licher Reformprozess eingeleitet, der durch die Brighton-Erklärung, die im Rahmen der Konferenz von Brighton am 20. April 2012 angenommen wurde, einen vorläufigen Hö­hepunkt erreicht hat.

Österreich hat sich in den EGMR-Reformdiskussionen seit jeher erfolgreich dafür ein­gesetzt, dass das Recht des Einzelnen auf eine richterliche Entscheidung des EGMR und die Unabhängigkeit des EGMR nicht in Frage gestellt werden. Dies konnte auch im Rahmen der Brighton-Erklärung sichergestellt werden. Diese sieht im Wesentlichen vor, dass bis Ende 2013 Änderungen der EMRK ausgearbeitet werden sollen, streicht zugleich aber hervor, dass vorrangig die Bemühungen der Staaten verstärkt werden müssen, den mit der EMRK übernommenen Verpflichtungen bestmöglich nachzukom­men und vor allem die Urteile des EGMR zügig umzusetzen.

Die in der Brighton-Erklärung in Aussicht genommenen Änderungen der EMRK durch ein Zusatzprotokoll sind großteils von geringer Tragweite und betreffen folgende Punkte: Hinweis auf das Subsidiaritätsprinzip und den Ermessensspielraum der Ver­tragsstaaten in der Präambel; Verkürzung der Frist zur Befassung des EGMR gemäß Art. 35 Abs. 1 EMRK von derzeit sechs auf vier Monate; Adaptierung des durch Proto­koll Nr. 14 eingefügten neuen Zulässigkeitskriteriums gemäß Art. 35 Abs. 3 lit. b EMRK, der die Zurückweisung von Fällen ermöglicht, in denen dem Beschwerdeführer kein er­heblicher Nachteil entstanden ist; Entfall des Widerspruchsrechts der Parteien gegen die Abgabe einer Rechtssache von einer Kammer des Gerichtshofs an die Große Kam­mer gemäß

Art. 30 EMRK und Einfügung einer Bestimmung, dass EGMR-Richter bei Amtsantritt nicht älter als 65 Jahre sein dürfen.

Das Zusatzprotokoll bedarf der Ratifikation bzw. der Annahme durch alle 47 Vertrags­staaten der EMRK, um in Kraft zu treten. Österreich nimmt als Vertragspartei der EMRK an den Verhandlungen teil; die österreichische Verhandlungsdelegation soll vom Ständigen Vertreter Österreichs beim Europarat in Straßburg, Botschafter Dr. Thomas Hajnoczi, geleitet werden.

Das Zusatzprotokoll wird gesetzändernden und gesetzesergänzenden Charakter ha­ben und daher gemäß Art. 50 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat bedürfen. Der Verfassungsrang der EMRK wird dabei entsprechend zu berücksichtigen sein.

Sofern die Verhandlungen über das Zusatzprotokoll mit finanziellen Auswirkungen ver­bunden sind, werden sie aus den dem zuständigen Ressort zur Verfügung gestellten Mitteln bedeckt.

Der Nationalrat und der Bundesrat werden gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG von der Aufnah­me der Verhandlungen unverzüglich unterrichtet werden.

Im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler stelle ich den

Antrag,

die Bundesregierung wolle dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagen, Botschafter
Dr. Thomas Hajnoczi zur Leitung der Verhandlungen über das Protokoll Nr. 15 zur Kon-


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