11.33.34

Bundeskanzler Sebastian Kurz: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich möchte zunächst einmal allen neu angelobten Bun­desräten ganz herzlich gratulieren und ihnen alles Gute für ihre Aufgabe wünschen. Darüber hinaus möchte ich Ihnen gerne gemeinsam mit dem Vizekanzler jetzt unsere Regierung und insbesondere auch unser Regierungsprogramm vorstellen und prä­sentieren. Natürlich darf ich auch alle Österreicherinnen und Österreicher, die gerade diese Sitzung via Fernsehen oder Livestream mitverfolgen, ganz herzlich begrüßen.

Zu allererst möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich noch einmal ganz herzlich für das Vertrauen bedanken, das wir am 15. Oktober ausgesprochen bekommen haben. Am 15. Oktober haben die Österreicherinnen und Österreicher eine Richtungs­entschei­dung getroffen. Sie haben zwei Parteien massiv gestärkt, die dann auch wenige Tage später Koalitionsverhandlungen aufgenommen haben. Die Österreicherinnen und Österreicher haben uns die Chance gegeben, die Inhalte, die wir auch im Wahlkampf vertreten haben, in ein Regierungsprogramm niederzuschreiben und in weiterer Folge auch umzusetzen.

Ich möchte mich heute aber auch bei Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen dafür bedanken, dass er unsere Koalitionsverhandlungen begleitet hat, mit uns immer im guten Gespräch war, und auch dafür, dass er uns am Ende des Tages bei der An­ge­lobung das Vertrauen geschenkt hat, mit dem wir definitiv behutsam umgehen werden.

Ein Danke auch allen Regierungsmitgliedern, die bisher Verantwortung getragen haben, allen voran natürlich Herrn Bundeskanzler Christian Kern und Herrn Vize­kanz­ler Wolfgang Brandstetter – stellvertretend für all jene, die in der letzten Legisla­turperiode für unser Land gearbeitet haben. (Allgemeiner Beifall.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir alle wissen, Veränderung schafft Hoffnung, Verän­derung schafft Chancen, Veränderung macht manchmal auch unsicher und Veränderung ist etwas, über das man unterschiedlicher Meinung sein kann. Was aber definitiv richtig ist, ist, dass Veränderung etwas ist, das sich nicht aufhalten lässt. Unsere Welt hat sich massiv verändert: Es gibt neue Spieler und neue Heraus­for­derungen, neue Regeln und insbesondere auch eine neue Geschwindigkeit.

Die Globalisierung, die Digitalisierung, die Mobilität haben die ganze Welt verändert, und all das macht auch vor unserem schönen Österreich nicht halt. Als Bundes­regierung verfolgen wir daher ein klares Ziel: Wir wollen auf diesem neuen Spielfeld für Österreich wieder einen Platz an der Spitze erobern. Wir wollen ein Comeback für unser Land zustande bringen, auf das wir gemeinsam stolz sein können und von dem alle Menschen in unserem Land profitieren. Wir glauben an dieses Österreich, wir glauben an seine Menschen und wir glauben auch daran, dass eine gute Zukunft vor uns liegt.

Österreich und seine Menschen haben in der Vergangenheit immer wieder gezeigt: Wir können oft mehr, als man uns zutraut, und oftmals sogar mehr, als wir uns selbst zutrauen.

Nach 1945 waren es die Großeltern- und die Elterngeneration, die aus den Trümmern unseres Landes Österreich und unsere Republik wieder aufgebaut haben. In den Siebzigerjahren ist ein Sozialsystem geschaffen worden, auf das viele in unserer Welt mit Neid schauen, und in den 2000er-Jahren ist es gelungen, dass die Deutschen, die das nicht allzu gerne zugeben, Österreich als „das bessere Deutschland“ bezeichnet haben.

Zu jedem Zeitpunkt in unserer Geschichte waren es nicht nur die Politiker, die Visionen vorgezeigt haben, sondern es waren vor allem die Menschen, die mit harter Arbeit dafür gekämpft haben, aus unserem Land das zu machen, was es heute ist. Gerade deshalb haben wir als Regierung eine ganz besondere Verantwortung: Wir haben eine ganz besondere Verantwortung, den erfolgreichen Weg Österreichs fortzusetzen, aber auch da und dort, wo in den letzten Jahren Fehlentscheidungen getroffen wurden, wo Fehlentwicklungen gerade stattfinden, gegenzusteuern. Diesen Weg, sehr geehrte Damen und Herren, wollen wir gehen, und bei diesem Weg bitten wir um Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung. (Beifall bei ÖVP und FPÖ.)

Wir bitten aber nicht nur um Ihr Vertrauen, sondern wir als Regierung wollen auch ein Versprechen abgeben: Wir versprechen, dass wir alles tun werden, dass dieses Land am Ende der Legislaturperiode besser dasteht als heute. Wir versprechen auch, dass wir uns anstrengen werden, die Steuer- und Abgabenquote in Österreich in Richtung 40 Prozent zu senken, damit jene Menschen in unserem Land, die arbeiten gehen, nicht die Dummen sind. Wir versprechen, dass wir unsere Sozialsysteme reformieren werden, damit sie wieder treffsicherer sind und diejenigen, die wirklich Hilfe brauchen, diese auch erhalten. Und wir versprechen, dass wir uns für mehr Ordnung und Sicherheit einsetzen werden, dass wir gegen illegale Migration ankämpfen werden und dass wir auf europäischer Ebene einen Beitrag zu einem funktionierenden Außen­grenzschutz leisten werden, denn das ist die Basis für ein Europa ohne Grenzen und das ist die Basis für Sicherheit in unserem Land. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

Wir versprechen Ihnen darüber hinaus, dass wir alles tun werden, damit junge Men­schen, die unsere Schulen verlassen, wieder ordentlich lesen, schreiben und rechnen können, und dass in der Schule auch auf diese Grundfertigkeiten fokussiert wird. Und wir versprechen Ihnen, dass wir uns anstrengen werden, die Chancen der Digitalisie­rung für unser Land zu nutzen, denn nur dann, wenn wir es schaffen, unsere Verwal­tung auch digitaler zu gestalten, und wenn es uns gelingt, auch bei der Einführung von 5G Vorreiter zu sein, werden wir auch in der Zukunft, in der Zukunft des 21. Jahr­hunderts, ein erfolgreiches Land bleiben können.

All das können wir tun und all das werden wir auch tun. Als Basis dafür haben wir nicht nur ein Regierungsprogramm gemeinsam erstellt, sondern als Basis, um das Regie­rungsprogramm umsetzen zu können, haben wir ein starkes Regierungsteam aus­gewählt. Ich freue mich sehr, mit den Regierungsmitgliedern, die wir ausgewählt haben, in den nächsten fünf Jahren gemeinsam für unser wunderschönes Land arbei­ten zu dürfen.

Beim Team haben wir ganz bewusst auf einen guten Mix aus Menschen, die Erfahrung in der Politik haben, und aus solchen, die Erfahrung aus Wirtschaft oder Wissenschaft mitbringen, gesetzt. Wir haben auf Jüngere und Junggebliebene, auf Menschen aus allen Teilen unseres Landes gesetzt. Aber das Entscheidende ist ja nicht, woher jemand kommt oder welche Erfahrungen jemand mitbringt, sondern das Entscheidende ist, dass diese Regierung gute Arbeit für unser Land leistet. Das ist unser Ziel. Dieses Versprechen geben wir ab: Wir werden uns all die fünf Jahre anstrengen, das Beste für unser Land zustande zu bringen! (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

Bei allem Mut zur Veränderung, den wir haben, ist es darüber hinaus auch notwendig, auf Werte, die zeitlos sind, aufzubauen. Es sind drei Werte, die ich hier ganz beson­ders herausstreichen möchte, und das ist zum Ersten Respekt, zum Zweiten Anstand und zum Dritten Hausverstand. Wir haben in den Regierungsverhandlungen schon einen respektvollen Umgang miteinander bewiesen, und wir wollen diesen Umgang genau so in der Regierungsarbeit fortsetzen.

Ich hoffe aber auch, dass es uns gelingt, im Diskurs mit der Opposition stets respekt­voll und auf Augenhöhe zu agieren. Die Aufgabe der Regierung ist es, für dieses Land zu arbeiten und auch das Regierungsprogramm und unsere Arbeit zu verteidigen. Die Aufgabe der Opposition ist es selbstverständlich, das Programm, die Personen zu hinterfragen, zu kritisieren und da und dort auch andere Vorschläge zu machen. Wir haben unterschiedliche Aufgaben und Rollen in unserer Demokratie, aber ich würde mir wünschen, dass es uns gelingt, dass wir stets auf Augenhöhe miteinander um-gehen und dass wir im Ton immer respektvoll bleiben. Ich glaube, unser Österreich und unsere Demokratie haben sich diesen Umgang miteinander verdient. (Beifall bei ÖVP und FPÖ, bei BundesrätInnen der SPÖ sowie des Bundesrates Zelina.)

Ein zweiter Wert, der uns wichtig ist, ist natürlich der Hausverstand. Wir wissen, dass wir in unserem Land eine ständig steigende Zahl an Regulierungen, an Gesetzen haben und dass das das Leben der Menschen oft nicht einfacher macht. Unser großes Ziel ist es, für unser Land zu arbeiten – natürlich im Austausch mit Experten –, aber unser Ziel ist es auch, niemals auf das Gespräch mit der Bevölkerung zu vergessen. Wir wollen einen Staat haben, in dem es wenige Regeln gibt, die aber von allen eingehalten werden, und wir wollen gleichzeitig einen Staat schaffen, der sich auch wieder zurücknimmt, was Bürokratie, Verwaltung und Regulierung betrifft, damit den Menschen mehr Freiheit und mehr Chance für Eigenverantwortung bleibt. Eine Politik mit Hausverstand wird stets unser Ziel sein.

Der dritte Wert, den ich ansprechen möchte, ist der Anstand. Ich glaube, Anstand in der Politik bedeutet, mit der geliehenen Macht sorgsam umzugehen, und bedeutet auch, mit dem Steuergeld sorgsam umzugehen. Unser großes Ziel wird es sein, mit Steuergeld nicht nur korrekt zu agieren, sondern möglichst sparsam zu haushalten. Nur wenn es uns gelingt, im System und nicht bei den Menschen zu sparen, werden wir einen positiven Beitrag für dieses Land leisten können; und nur wenn es uns gelingt, sparsam mit Steuergeld umzugehen, werden wir auch unser Ziel erreichen können und die Steuer- und Abgabenquote in unserem Land endlich reduzieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, das sind drei Grundwerte, denen wir uns verpflichtet fühlen und die stets auch Kompass für unsere Arbeit sein werden.

Gerade wenn man in unserem Land etwas verändern möchte, ist es auch wichtig, einen ordentlichen Blick für unsere Vergangenheit zu haben. Gerade mit dem nächsten Jahr haben wir ein wichtiges Gedenkjahr vor uns: Die Republik feiert ihr hundert­jähriges Bestehen. Wir werden aber auch der schmerzlichen, beschämenden und trau­rigen Ereignisse rund um den März 1938 gedenken. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal klar festhalten, dass die Erinnerung an den Horror des Zweiten Weltkriegs immer ein warnendes Beispiel für uns sein muss; und es muss immer sichergestellt sein, dass sich so etwas niemals wiederholen darf.

Unser Land hat leider erst viel zu spät die eigene Mitverantwortung im Zuge der Naziherrschaft eingestanden, daher ist unsere Verantwortung heute umso größer, ganz entschieden gegen alle Formen von Antisemitismus anzukämpfen, den noch immer bestehenden genauso wie den neu importierten. Es ist auch unsere Verant­wortung, einen ordentlichen Kontakt mit Israel zu pflegen, den Staat Israel zu unter­stützen und ein starker Partner für dieses Land zu sein. (Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Sehr geehrte Damen und Herren, dieses Versprechen können wir abge­ben.

Genauso werden wir im Gedenkjahr 2018 auch positiver Ereignisse gedenken. Im Jahr 1848 haben die Menschen in ganz Europa dafür gekämpft, die Fesseln von Abso­lutismus und Diktatur abzustreifen. Im Jahr 1948 haben die Menschen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die damals beschlossen wurde, gemein­sam gefeiert. 1968 haben die Bürgerinnen und Bürger der damaligen Tschecho­slo­wakei für Selbstbestimmung, Demokratie und Meinungsfreiheit gekämpft. All dieser Ereignisse werden wir im Jahr 2018 gedenken.

Gerade in einem Gedenkjahr ist es, glaube ich, angebracht, sich auch bewusst zu sein, dass das, was damals erkämpft wurde, heute durch die Europäische Union abgesichert und instand gehalten wird. Die Europäische Union ist die verbindende Klammer für diese Grundwerte, die lange erkämpft werden mussten. Daher wird es unsere Aufgabe sein, einen Beitrag zu leisten, um die Europäische Union auch in Zukunft zu stärken und aktiv weiterzuentwickeln.

Ich bin froh, dass wir im zweiten Halbjahr 2018 den Ratsvorsitz innehaben – unsere Chance, auf europäischer Ebene noch stärker mitzugestalten als nur als Mitgliedstaat. Wir werden uns für mehr Subsidiarität einsetzen – wie du vorhin gesagt hast, Herr Präsident –, mehr Subsidiarität im Sinne einer stärkeren Europäischen Union in den großen Fragen, von der Außen- über die Sicherheits- bis zur Verteidigungspolitik, und einem Europa, das sich in kleinen Fragen, welche Mitgliedstaaten oder Regionen besser beantworten können, zurücknimmt.

Wir werden bei Fehlentwicklungen, wie der falschen Migrations- und Flüchtlingspolitik, Problemen beim Umgang mit Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, bei denen wir nicht wegsehen dürfen, gegensteuern müssen, aber als ein Land, das im Herzen Europas gelegen ist, auch einen Beitrag leisten, um die Spannungen zwischen Ost und West auf unserem Kontinent wieder abzubauen. All das wird unsere Aufgabe beim Rats­vorsitz, aber auch darüber hinaus sein.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Bundesregierung ist nicht nur bereit, diese Arbeit zu leisten, sondern es gibt auch genug zu tun. Man könnte fast sagen: Arbeit, wohin man schaut. Ich kann Ihnen aber versichern, wir gehen mit großem Respekt an die Aufgabe heran, aber wir sind gleichzeitig voller Freude, dass wir für unser Land arbeiten dürfen und unserem Österreich dienen dürfen. Mit Ihrer Unterstützung werden wir erfolgreich sein! – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie der Bundesräte Koller und Zelina.)

11.48

Präsident Edgar Mayer: Herr Bundeskanzler, vielen Dank für deine Ausführungen.

Ich erteile nunmehr dem Herrn Vizekanzler zur Abgabe einer Erklärung betreffend die neue Bundesregierung das Wort. – Bitte, Herr Vizekanzler.