9.28.32

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland)|: Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Frau Ministerin! „Null Toleranz bei Gewalt gegen Frauen“: Ja, und zwar ein großes und deutliches Ja zu dieser Überschrift! Leider wurde aber mehrfach dazu­gesagt, dass es jedenfalls zu einer Verschärfung des Sexualstrafrechts kommen soll. (Bundesrat Längle: Ja, hoffentlich!)

Die SPÖ war nicht nur in den letzten Jahren, sondern in den letzten Jahrzehnten eine Vorreiterin im Kampf gegen Gewalt an Frauen, etwa durch die Errichtung von sehr vielen Frauenhäusern in Wien und auch in meinem Heimatbundesland Burgenland. Ich bin sehr, sehr froh darüber, dass wir in jedem Bezirk eine Frauenberatungsstelle haben, den Frauennotruf und Gewaltschutzzentren.

Leider war die ÖVP in der vorigen Legislaturperiode nicht sehr aktiv. (Bundesrat Stögmüller: Richtig! – Bundesrat Mayer: Na geh!) Nein, sie war nicht sehr aktiv. (Beifall bei der SPÖ sowie des Bundesrates Stögmüller.) Die FPÖ hat sich offen da­ge­­gen ausgesprochen, dass Frauenhäuser errichtet werden sollen. (Bundesrat Stögmüller: Geschlossen haben sie’s!) Die FPÖ Amstetten hat öffentlich in einer Presseaussen­dung gesagt, Frauenhäuser seien nämlich an der Zerstörung von Ehen beteiligt.

Es gab im Jahr 2013 eine Strafrechtsänderung, mit der zahlreiche Bestimmungen be­treffend sexuelle Ausbeutung und das Sexualstrafrecht verschärft wurden beziehungs­weise auch neue Tatbestände eingeführt wurden. Der Schutz der Frauen wurde damit stark verbessert.

Ich möchte nur einige Themen auflisten: Ausdehnung der Tatbestände im Bereich des Menschenhandels, der verbotenen Adoptionsvermittlung, des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen, der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren, der Anbah­nung von Sexualkontakten zu Unmündigen; Anpassungen im Bereich des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person; Anhebung der Strafdrohung bei der Förderung der Prostitution und pornografischer Darbietungen Minderjähriger; Anhebung der Strafdrohung bei Zuhälterei; obligatorische Gewährung von psychosozialer Prozessbegleitung, was anno dazumal eine wichtige Forderung war.

Im Jahr 2015 wurde das Strafrechtsänderungsgesetz mit Expertinnen und Experten sehr intensiv diskutiert. Mit diesem Gesetz wurden 193 Einzelpunkte verabschiedet, Sexual- und Gewaltdelikte wurden damit deutlich strenger geahndet. Es war dies die größte Strafrechtsreform seit dem Jahr 1975 und trat mit 1. Jänner 2016 in Kraft. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte auch dazu einige Punkte aufzählen. Mit dem Strafrechtsände­rungs­ge­setz 2015 wurden insbesondere dem Schutz der Frauen dienende Tatbestände neu eingeführt beziehungsweise angepasst, was auch jetzt verlangt wird: Zwangsheirat; fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersys­tems; Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung – nach Absatz 1 dieser neuen Be­stimmung ist strafbar, wer „den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung“ gegen den Willen einer Person „unter Ausnützung einer Zwangslage oder nach vorangegangener Einschüchterung“ der Person vornimmt –; die Bestimmungen zur sexuellen Belästigung wurden erweitert, von § 218 werden durch Absatz 1a nicht mehr nur geschlechtliche Handlungen erfasst, sondern auch die Würde einer Person verletzende, intensive Berührungen von Körperstellen, die der Ge­schlechts­sphäre zuzuordnen sind.

Ja, es war eine intensive Diskussion, die wir damals geführt haben, hat sich doch die ÖVP fast ein Jahr lang auch dagegen gewehrt, allein den Punkt betreffend die Ver­letzung der sexuellen Selbstbestimmung der Frau zu akzeptieren. Die ÖVP hat sich auch ganz lange gegen strengere Bestrafungen ausgesprochen, ja im Gegenteil, das Strafrechtsänderungsgesetz wurde von der ÖVP harmloser gemacht.

Was können wir daher jetzt von diesem neuen Vorstoß erwarten? – Wir, die SPÖ, sind durchaus dafür und auch bereit dazu, gegebenenfalls auch strengere Strafen zu beschließen, aber nur dann, wenn das jetzige Gesetz evaluiert wurde, nur dann, wenn wir wissen, welche Auswirkungen das jetzige Gesetz hat. Wir kennen jetzt noch keine Urteile, wir wissen noch nicht um die Auswirkungen, aber wir haben mit unserer neuen Schlagzeilenregierung schon wieder ein neues Thema auf dem Tisch. Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir die Schlagzeilen hintanstellen und dass wir, wenn wir Gesetze ändern wollen, wenn wir Gesetze anpassen wollen, diese vorher mit Exper­tinnen und Experten intensiv diskutieren, dass wir die Gesetze, die wir schon haben, evaluieren und dann die Änderungen, die notwendig sind, vornehmen. (Bundesrat Stögmüller: Die Hoffnung habe ich nicht! – Bundesrat Mayer: Wenn wir das mit euch machen, dauert das fünf Jahre!) – Mit euch hat es drei Jahre gedauert, aber wir sind auch rechtzeitig für 2016 fertig geworden. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir sind nicht allein, wenn wir von einer wirklich sinnvollen Evaluierung reden, das sagen alle Experten. Es gibt diese Expertenmeinung, es gibt Zeitungsartikel (einige Ausdrucke in die Höhe haltend), von der „Presse“ über den „Kurier“, sogar bis zur „Krone“, die das Gleiche sagen: Bitte evaluieren, bitte anschauen! Nach drei Jahren ist die Möglichkeit da, dass man wirklich sachlich, inhaltlich etwas ändern kann. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Bundesrat Novak: Da werden nur Probleme zugedeckt, das ist das Problem! Deswegen produzieren sie Schlagzeilen!) – Das ist richtig, ja.

Die Präsidentin der Richtervereinigung sieht es als „‚sehr befremdlich‘ an, dass die Task Force zu dem Thema im Innenministerium und nicht im Justizministerium ange­siedelt sein soll. Wenn als Begründung dafür angegeben werde, dass sich Justiz­minister [...] Moser [...] ‚anderen, dringenderen‘ Themen widmen soll, ‚wundert mich das sehr‘.“

Wir haben als Nächsten den Präsidenten des Wiener Straflandesgerichts: „‚Es gibt bereits sehr hohe Strafen‘ [...] Sexualdelikte können seit 2016 mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden, wenn das Opfer bleibende Schäden an Psyche oder Körper erleidet. Bei“ Todesstrafe „droht lebenslang“.

Zusammengefasst können wir sagen, wir haben hier schon sehr, sehr viel. (Bundesrat Längle: Was für eine Todesstrafe?!) – Es kann bis zur Todesstrafe gehen, wenn es lange dauert für die - - (Bundesrat Längle: Lebenslang! – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Bundesrat Stögmüller: Todesstrafe gibt’s in Österreich nicht! – Bundesrat Krusche: Habt ihr die wieder eingeführt?!) Habe ich Todesstrafe gesagt? (Zwischenrufe der Bundesräte Krusche, Längle und Stögmüller.) Entschuldigung, jessas na, lebens­lang! Das war jetzt ein ordentlicher Fauxpas! Entschuldigung! Jetzt muss ich mich ganz stark entschuldigen! Das war ein echter Fauxpas! (Die Rednerin schlägt sich mit der flachen Hand mehrmals auf die Brust.) Entschuldigung, das nehme ich sofort zurück, denn das will ich wirklich nicht. Davon distanziere ich mich jetzt sofort! Entschuldigung! (Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen.)

Die Tatsache, dass die Taskforce im Innenministerium eingerichtet ist, ist außeror­dent­lich fragwürdig, auch wenn meine Vorrednerin Staatssekretärin Edtstadler als sehr geeignet für diese Aufgabe empfindet. Ich möchte ihr ihre Qualifikation nicht ab­sprechen, aber diese Kombination ist eine mehr als gefährliche. Sie ist weisungs­gebunden. Es ist keine gute Kombination, das wirft kein gutes Licht auf dieses Thema, und das ergibt kein gutes Gefühl für die Frauen, dass sie wirklich gut aufgehoben sind. Der Vorrang des Innenministeriums bei der Ausarbeitung einer klassischen Justiz­materie ist in Wahrheit eine weitere unerträgliche Demütigung der ausgezeichneten Beamtinnen und Beamten und Expertinnen und Experten, die wir im Justizministerium haben. Ich würde wirklich darum bitten, dass man da den Rechtsstaat dort belässt, wo er hingehört.

Da die Frauenministerin heute hier ist, möchte ich ganz kurz sagen: Ich habe heute im „Morgenjournal“ gehört, dass Sie bis 2020 die Kapazität der Frauenhäuser um 10 Prozent ausbauen wollen. (Bundesrat Stögmüller: Ist eh schön!) Ich finde, das ist eine sehr, sehr tolle Sache, das ist notwendig, wir brauchen das in Österreich. Ich gratuliere Ihnen dazu sehr herzlich! (Bundesrätin Mühlwerth: Geht doch!) Ich würde Ihnen für diese Arbeit gerne auch den Antrag, den Kollegin Heinisch-Hosek und Kol­lege Jan Krainer im Nationalrat zum Thema Erhöhung des Frauenbudgets eingebracht haben, ans Herz legen. Ich glaube, dass das eine sehr, sehr wichtige Aufgabe ist. Herzliche Gratulation zu dieser Entscheidung!

Ich würde mich auch sehr freuen, wenn Sie das Frauenvolksbegehren doch noch unterschreiben. Das gehört alles dazu, und ich glaube, dass das ein wichtiges und deutliches Zeichen einer Frauenministerin wäre. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

9.37

Präsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile ihr dieses. (Bundesrat Stögmüller: Jetzt kommt eine Liebes­rede! Jetzt wird’s spannend!)