11.27.15

Bundesrat Martin Weber (SPÖ, Steiermark)|: Frau Präsidentin! Werte Frau Volks­anwältin! Herr Volksanwalt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute hier zum 40. Bericht der Volksanwaltschaft schon einige Diskussionsbeiträge gehört. Die Institu­tion der Volksanwaltschaft hat sich in den 40 Jahren ihres Bestehens zu Recht den Respekt und das große Vertrauen der Bevölkerung erworben.

Auf Initiative des damaligen Bundeskanzlers Dr. Bruno Kreisky nahmen nach einem langen Diskussionsprozess am 1. Juli 1977 die ersten drei Volksanwälte – Robert Weisz, Franz Bauer und Gustav Zeillinger – ihre wichtige Arbeit auf. Heute dürfen wir zwei Volksanwälte hier begrüßen, und Volksanwalt Dr. Günther Kräuter wünsche ich auf diesem Weg gute Besserung und eine baldige Genesung.

Wir dürfen zu Ihrer hervorragenden Arbeit herzlich gratulieren und dafür Danke sagen. Wie die Berichte, die uns heute hier zur Diskussion vorliegen, zeigen, wenden sich immer mehr Menschen mit ihren Anliegen vertrauensvoll an die Volksanwaltschaft. Im Berichtsjahr 2016 – wir haben es heute schon gehört – wurden 18 492 Beschwerden an die Volksanwaltschaft herangetragen. Bei der Hälfte aller Beschwerden wurde ein formales Prüfverfahren eingeleitet. Im Vorjahr, 2017, wurden erstmals in der Geschichte der Volksanwaltschaft – man darf das ruhig als eine österreichische Erfolgsstory bezeichnen – über 20.000 Beschwerden bereits direkt bearbeitet oder an die zuständigen Stellen weitergeleitet.

In Fragen, die zum Beispiel die Justiz betreffen, liegt keine formale Zuständigkeit vor; es gibt dazu ja auch andere Ombudsstellen, anwaltliche Vertretung oder die Mieter­vereinigung zum Beispiel.

Wie in den letzten Jahren lag der Schwerpunkt im Berichtszeitraum im Bereich der inneren Sicherheit. 2016 fielen im Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Inneres 1 978 Fälle an. 81 Prozent davon bezogen sich auf das Asyl-, Niederlassungs- und Fremdenpolizeirecht. Die Polizei betrafen 13,4 Prozent der Fälle, gefolgt von Anliegen zum Wahlrecht sowie Personenstandsrecht und Melderecht. Weitere Beschwerden und Prüfverfahren bezogen sich auf das Dienstrecht, Passrecht und Waffenrecht. Wenige Fälle betrafen den Zivildienst und das Vereinsrecht.

Die Volksanwaltschaft führte im Bereich des Bundesministeriums für Inneres 28 amts­wegige Prüfverfahren durch. Diese hatten zum Beispiel Themen aus den Bereichen Polizei, Grenzkontrollen, Bundesbetreuung und Fremdenrecht zum Inhalt. Nicht alle Verfahren sind bereits abgeschlossen, in vier Verfahren stellte die Volksanwaltschaft bereits Missstände fest.

Aufgrund der eingeführten Lehr- und Vortragstätigkeit in den Polizeischulen wurde der Wissensstand sowie die Sensibilität bei den Polizeikräften vor Ort deutlich erhöht.

Großer Verbesserungsbedarf besteht meiner Meinung nach vor allem im Ministerium selbst, beim Kopf sozusagen. Zum brutalen Mord am Brunnenmarkt im Mai 2016 zum Beispiel leitete die Volksanwaltschaft eines dieser besagten amtswegigen Prüfverfah­ren ein, da es in der Öffentlichkeit große Kritik über mögliche Unterlassungen der Behörden gab. Dazu wurden die niederlassungsrechtlichen, die fremdenpolizeirecht­lichen und die unterbringungsrechtlichen Aspekte beleuchtet.

Die Prüfung ergab unter anderem, dass das BMI über Monate im Prüfverfahren, das inhaltlich einfach zu erledigen gewesen wäre, keine oder nur unzureichende Schritte setzte. Rund 15 Monate war das Verfahren anhängig, ohne dass eine einzige Ent­schei­dung getroffen wurde.

Ich hoffe, dass sich der neue Innenminister um diese wichtigen Punkte endlich küm­mert und auch Abhilfe schafft. Nebelgranaten der Schlagzeilenregierung wie die berittene Polizei helfen uns da und dort nicht weiter und bringen uns auch nicht weiter – sonst brauchen wir zuletzt vielleicht auch noch eine Tierschutzombudsstelle.

In den Prüfverfahren sind auch die Landes- und Gemeindeverwaltungsbereiche durch­leuchtet worden – mein Kollege René Pfister hat es schon erwähnt –, denn neben der Bundesverwaltung kontrolliert die Volksanwaltschaft auch die Landes- und Gemeinde­verwaltungen. Im Jahr 2016 wurden dort insgesamt 3 147 Prüfverfahren durchgeführt.

Bei den Beschwerden auf Landes- und Gemeindeebene sind folgende inhaltliche Schwerpunkte festzustellen: Die meisten Beschwerden betreffen das Sozialwesen, wie die Mindestsicherung, die Jugendwohlfahrt und Angelegenheiten von Menschen mit Behinderungen. Mit einem Anteil von 25 Prozent an allen Prüffällen hatte jede vierte Beschwerde dieses Thema zum Gegenstand. Ein fast ebenso hoher Anteil entfiel auf die Bereiche Raumordnung und Baurecht. Probleme um das Staatsbürgerschaftsrecht und die Straßenpolizei gaben ebenfalls Anlass zur Beschwerde.

Die Beschwerden rein über Gemeindeangelegenheiten machen hierbei einen geringe­ren Anteil aus, nämlich nur 12,6 Prozent. Ein vorsichtiges Lob für die gute Arbeit unserer Gemeinden ist hier schon auch angebracht. Unsere Gemeinden und Stadtver­waltungen sind sehr bemüht und leisten hervorragende Arbeit.

Von den Gemeinden zur nächsten Ebene, zu den Bundesländern. Kollege Tiefnig hat die Steiermark lobend erwähnt. Ausdrücklich lobte die Volksanwaltschaft in der Aus­schusssitzung am Dienstag die Bundesländer Wien und Burgenland, was das Reder­echt der Volksanwälte in diesen Ländern und auch die gute Zusammenarbeit betrifft.

Meine Kollegin Frau Dr. Reiter hat es schon kurz angesprochen: Normalerweise heißt es ja, Wien ist anders, im positiven Sinne, in diesem Zusammenhang aber heißt es leider, Niederösterreich ist anders, und zwar im negativen Sinne. Es besteht zu Recht der Eindruck, dass die Volksanwaltschaft und ihre hervorragende Arbeit für die Inter­essen der Bevölkerung in diesem Bundesland, nämlich Niederösterreich, uner­wünscht sind.

Nach 40 Jahren österreichischer Erfolgsstory der Volksanwaltschaft noch immer kein Rederecht im niederösterreichischen Landtag zu haben, ist ein großes demokratie­politisches Defizit. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich würde mich dafür schämen. (Bundesrätin Mühlwerth: Die Bundesräte haben in Wien auch kein Rede­recht, das möchte ich auch ...! – Zwischenruf des Bundesrates Stögmüller.) Nieder­österreich ist nämlich das demokratiepolitische Nordkorea von Österreich (Heiterkeit bei der ÖVP – Bundesrat Mayer: Das ist ein Blödsinn!) – aber der alte Landesfürst ist ja nicht mehr, es besteht auch dort leise Hoffnung nach Kim Jong-un.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erweisen Sie der Volksanwaltschaft als Geburtstags­geschenk anlässlich ihres 40. Berichts doch endlich den notwendigen Respekt und zollen Sie ihr die notwendige Anerkennung (Bundesrätin Mühlwerth: Die hat sie!), die sie sich verdient und die sie auch in anderen Bundesländern erhält.

Herzlichen Glückwunsch zum 40. Bericht! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.35

Vizepräsidentin Sonja Ledl-Rossmann: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Michael Raml. – Bitte, Herr Bundesrat.