BundesratStenographisches Protokoll876. Sitzung, 876. Sitzung des Bundesrates am 15. März 2018 / Seite 81

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Dann haben wir noch die vielen, die Personengesellschaften sind und gar keine KÖSt bezahlen, wie IKEA, Boehringer, VW, Porsche und so weiter, zu denen es praktisch überhaupt keine entsprechenden Steuerdaten gibt.

Die für diese Serie in der „Zeit“ untersuchten Konzerne haben übrigens in Summe 61 Millionen Euro KÖSt bezahlt. Im Sinne fairer Steuern, wurde da ausgerechnet, wären es 308 Millionen Euro, also fünfmal so viel. Da gibt es also für die Staaten Mög­lichkeiten, zu Einnahmen oder zu Beiträgen zu kommen, die sie dringend brauchen, ohne dass wir Steuern für alle erhöhen; es hört sich nämlich immer so an, dass jeder, der arbeitet, jetzt noch mehr Lohnsteuer zu bezahlen hat.

Dazu ist noch zu sagen, dass sich dieses System an der realen Gesamtsteuerleistung dieser Konzerne orientiert, also alle Steuertricks, die es derzeit schon gibt, global to­leriert. Und trotzdem kommt es zu diesen für uns als Staat und für die EU als Ganzes sehr bedenklichen Entwicklungen. Apple allein häuft laut „New York Times“ 200 Milliar­den Dollar an steuerfreien Gewinnen an.

Auf die Gruppenbesteuerung will ich jetzt gar nicht eingehen. Das geht sich, glaube ich, auch gar nicht aus.

Es geht jetzt darum, welche Handlungsmöglichkeit die EU bekommt, um auf diesem Gebiet überhaupt tätig werden zu können. Obwohl es auch Hausaufgaben gibt, die wir selbst erledigen könnten, kann das Problem grundsätzlich nur auf EU-Ebene angegan­gen werden. Diese Konzerne sind zu groß, sie sind global zu vernetzt, das können einzelne Staaten nicht leisten. Das muss die EU leisten, und dafür muss sie auch die entsprechenden Kompetenzen bekommen. Und dazu ist es zum Beispiel notwendig, sich zu überlegen, wie man überhaupt zu einer gemeinsamen Steuerbemessungs­grundlage kommt. Darüber wird übrigens heute im EU-Parlament abgestimmt. Leider wird aber nicht darüber abgestimmt, dass es einen europäischen Mindeststeuersatz von ungefähr 20 Prozent geben möge. Für die EVP war das eine rote Linie, die ÖVP war da auch treibend, weil sie eben die Steuer in diesem Bereich für die Konzerne ja senken will. Wir reden hier also nicht über meiner Meinung nach dringend notwendige Mindeststeuersätze für die Großen.

Die internationalen Konzerne zahlen laut „Financial Times“, die ja keine linke Zeitung ist, heute weniger Steuern als 2008. Der effektive Steuersatz, also das Verhältnis von tatsächlicher Steuerlast und dem Unternehmensertrag vor Steuern ist seit 2008 um 9 Prozent gefallen. Wir brauchen also nicht zu erhöhen, sondern könnten uns vielleicht auch nur dem historisch bereits erreichten Stand wieder annähern. Der Effektivsteu­ersatz fiel seit 2000 um ein Drittel. Und das Tragischste ist meiner Meinung nach, dass es weiterhin einen Konkurrenzkampf innerhalb der EU, der Staaten untereinander gibt. Das müsste beseitigt werden, das ist die Krux, dass sich die Staaten innerhalb der EU hier nicht auf eine gemeinsame Basis einigen, denn nur dann kann man nach außen diesen Konzernen gegenüber wirklich tätig werden, und darum müsste man sich ganz dringend bemühen.

Dass da vieles in die falsche Richtung läuft, haben wir beim letzten EU-Ausschuss auch wieder feststellen können, zum Beispiel was die Mehrwertsteuer betrifft, wo statt den drei bestehenden Tarifen jetzt fünf kommen sollen, mit der Möglichkeit, auf 0 Pro­zent beziehungsweise unter 5 Prozent zu senken. Das heißt, da wird wieder Raum geöffnet für ein Steuerdumping, für einen fatalen Konkurrenzkampf, der bei der Be­steuerung eine Spirale nach unten in Gang setzt und uns alle von einer fairen Besteue­rung noch weiter weg bringt.

Hier gibt es also viel zu tun. Was aber vor allem notwendig ist, ist eine ganz andere Ko­operation zwischen den Staaten in der EU. Das Wort Wettbewerbsfähigkeit muss an-


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