14.42.06

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Dziedzic, ich bin jetzt etwas verwundert. Sie sind als Kontrarednerin gemeldet und das Einzige, was ich von Ihnen gehört habe, war, dass Ihrer Meinung nach im Regierungsprogramm zu wenig drinnen steht, zum Arbeitsprogramm selbst kam von Ihnen nicht ein Wort.

Sie haben den Entschließungsantrag eingebracht, der übrigens nicht ganz neu ist. Es gab schon im Nationalrat einen Allparteienantrag zu genau diesem Thema, mit der gleichen Befürchtung und mit der gleichen Sorge. Aber es ging um das EU-Arbeitsprogramm 2018 (ein Schriftstück in die Höhe haltend) und darüber haben Sie jetzt nicht ein Wort verloren. (Bundesrätin Dziedzic: Ich kann aber schon einen Antrag im Zuge der Debatte einbringen!)

Dieses EU-Arbeitsprogramm ist recht umfangreich, sehr ambitioniert und auch durch­aus sehr konkret auf seinen 60 Seiten, die es beinhaltet, und fußt übrigens auf der Grundlage des Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission. So ein Arbeits­programm wird ja nicht am Wochenende vom 31.3. auf den 2.4. erstellt, sondern das dauert schon einiges länger, zumal es ja auch die Vorhaben betreffend den Vorsitz in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2018 beinhaltet. Das heißt, da hat schon die Vorgängerregierung fleißig daran gearbeitet, da ja auch ein Ratsvorsitz nicht innerhalb einer Woche auf die Beine zu stellen ist.

Und hier gibt es wirklich sehr konkrete Dinge, die uns auch beim Ratsvorsitz be­schäf­tigen werden. Wir folgen ja einer logischen Kette der Staaten, die vor uns den Vorsitz hatten, nämlich Estland und Bulgarien – und als drittes Land nun eben Österreich –, bei denen der Brexit natürlich voll hineinspielt, wobei bis jetzt von Großbritan­nien jedoch keine wirklich konkreten Vorschläge gekommen sind, wie es sich denn eigent­lich den Brexit vorstellt.

Einer der Beamten aus dem Außenministerium hat es am Dienstag im Ausschuss wirklich mit einem guten Vergleich untermalt, indem er gesagt hat, das sei wie bei einer Scheidung. Man sagt: Wie soll jetzt die Scheidung vonstattengehen? – Aber eine Scheidung ist eine Scheidung. Und wie ist das jetzt mit dem Haus? – Ja, das Haus ist das Haus, aber wir wissen nicht, wie wir das Haus jetzt aufteilen sollen.

So ähnlich geht es der Europäischen Union jetzt mit dem Austritt Großbritanniens, wo man ja schon vermuten kann, dass die vielleicht gar nicht wirklich austreten wollen und die Bevölkerung diese Entscheidung, die sie getroffen hat, mittlerweile bereut. Aber sie ist nun einmal gefallen und das könnte nur Großbritannien selbst lösen. Da sollten konkrete Vorschläge kommen, wie Großbritannien diesen Brexit vornehmen will, welches Verhältnis es künftig zur EU haben will. Das wird auch für uns noch eine sehr spannende Zeit werden.

Was auch drinnen steht – und das ist mir auch wichtig zu erwähnen –, ist eine Ver­besserung der Europäischen Bürgerinitiative – wir sind da ja immer sehr offen, was die Stärkung der Rechte anbelangt. Nun wird die Europäische Bürgerinitiative – und es war ja wirklich zum Teil sehr schwierig, eine derartige Initiative auf die Beine zu stel­len – etwas unkomplizierter, zugänglicher und bürgerfreundlicher gemacht. Die Sen­kung des Mindestalters von 18 auf 16 Jahre wird erfolgen, was ja auch eine Anpas­sung an unser Wahlalter ist. In Österreich darf man ja auch ab 16 Jahren wählen – warum soll man dann nicht bei einer Europäischen Bürgerinitiative mitmachen dürfen? Zudem wird es für Organisationen kostenfrei und auch vom System her einfacher sein. Das ist also wirklich eine sehr gute Sache.

Als weiteres Kapitel wird uns beschäftigen, wie es mit der Europäischen Union weitergeht. Da gibt es ja dann im Juli den Bericht der Taskforce, die sich damit in Bezug auf Subsidiarität beschäftigt – was uns ein besonderes Anliegen ist; dieses Thema haben wir immer wieder im EU-Ausschuss, es ist eine wichtige Grundlage –, auch unserer Mitteilungen an Brüssel, was die Subsidiarität betrifft und wie sich Europa überhaupt gestalten soll. Es gibt ja verschiedene Punkte, die Juncker vorgeschlagen hat, wie man es machen könnte. Mir persönlich gefällt halt sehr gut, wenn man sagt, die EU soll die innere, die äußere Sicherheit, die Verteidigung übernehmen, aber nicht darüber abstimmen, ob die Pommes so oder so braun sein dürfen oder ob der Staubsauger so und so viel Watt haben darf oder nicht.

Ein weiteres Kapitel, das hier zu Recht behandelt wird, ist natürlich die interne und die externe Migrationspolitik. Das ist etwas, das uns beschäftigt. Und ja, wir wollen nicht, dass alle nach Europa kommen, die nicht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention hier Asylrecht haben. Daher muss das natürlich auch gesteuert und geregelt werden. Natürlich will auch niemand, dass die Leute zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken, weil die Schlepper sie über diese Route führen. Das sind alles Dinge, die hier sehr konkret beschrieben werden, auch, wie die Kooperationen zu machen sind. Das betrifft nicht nur die Länder vor unserer Haustüre, sondern auch alle, die etwas weiter weg sind.

Natürlich ist auch ein Kapitel – da das ja Hand in Hand geht – das Schützen unserer Außengrenzen. Schengen kann nur funktionieren, wenn es gelingt, die Außengrenzen auch tatsächlich zu schützen. Daher liegen auch diesem Punkt konkrete Vorschläge zugrunde.

Ein weiteres Kapitel ist der Schutz religiöser Minderheiten. Da reden wir jetzt nicht nur vom Islam, wir reden auch von den Christen, die geschützt gehören, weil ja in vielen Ländern, auch um den EU-Raum, viele Christen verfolgt, auch getötet werden und sich bis jetzt einfach niemand darum gekümmert hat, dass das so ist – bislang habe ich das jedenfalls so empfunden –, oder nur sehr wenig. Das ist auch etwas, wo man wirklich in den Dialog eintreten muss.

Man sieht ja auch, wie diese Fragen alle anderen Bereiche betreffen. Wir haben das heute nicht nur bei diesem, sondern auch bei anderen Tagesordnungspunkten schon behandelt, wie es mit der Wertepolitik in Europa und in der Europäischen Union ist, wie der Umgang miteinander ist, Gewalt, sexuelle Gewalt, psychische Gewalt, andere physische Gewalt, die sehr wohl auch mit der Migration etwas zu tun haben, da halt auch viele kommen, die sich zwar freuen, dass sie hier in Europa sein dürfen, aber andererseits glauben, sie können genauso leben wie bisher zu Hause, und die noch nicht verstanden haben, dass es bei uns einfach eine Straftat ist, wenn man seine Frau schlägt, da es in ihren Herkunftsländern oftmals ein Mittel ist, das Recht des Mannes zu zeigen, dieses zu tun.

All das sind Dinge, bei denen man den Leuten klarmachen muss, das geht bei uns nicht, und wenn du glaubst, dass du das nicht beachten willst, dann müssen wir uns überlegen, wie wir weiter mit dir tun und du gehst im allerschlimmsten Fall, wenn es gar nicht geht, auch wieder zurück nach Hause.

Es gibt ja aber auch andere Länder, die eine Assoziierung mit der Europäischen Union möchten, auch wenn sie keine Mitgliedschaft anstreben, wie zum Beispiel Armenien, Aserbaidschan, Belarus und so weiter. Und da sieht man, wie – auch durch die Welt des Internets, durch die Vernetzungen der digitalen Welt – klein die Welt eigentlich geworden ist und dass Länder, die geografisch ziemlich weit entfernt sind, doch sehr nahe an uns herangerückt sind und es daher natürlich auch den Wunsch gibt – und es ja auch sinnvoll ist –, mit ihnen Kooperationen einzugehen, ohne dass man gleich sagen muss, es müssen jetzt alle Mitglieder der Europäischen Union werden. Denn auch hier haben wir ja schon in der Vergangenheit gesehen, dass es nicht immer so einfach ist, dann alles auf gleicher Ebene zu haben. Wir haben bei Bulgarien, bei Rumänien, die bis zum heutigen Tag Schwierigkeiten mit der Korruption, mit der Wirt­schaftsleistung et cetera haben, gesehen, dass der Beitritt zur EU nicht immer das allein selig machende Allzweckmittel ist.

Aber es gibt ja Länder wie Serbien – das jetzt eine Beitrittsoption hat –, Albanien, den Kosovo und so weiter, mit denen durchaus Gespräche stattfinden und man dann halt schauen muss, wie man mit ihnen kooperiert: als vollwertiges Mitglied, als assoziiertes Mitglied, als Partner mit entsprechenden Kooperationsverträgen.

Damit komme ich auch noch zu einem letzten Kapitel – da die Kollegin jetzt den Antrag eingebracht hat –, denn daran ist ja auch die Türkei beteiligt. Mit dieser haben wir ja wirklich unsere Probleme, überhaupt seit dort Erdoǧan die Macht übernommen hat, die er ja wie ein Pascha ausweitet, der allein regiert und wo man sieht, wie recht wir hatten, dass wir immer davor gewarnt haben, so zu tun, als ob das ein europäisches Land wäre. Und nicht wir sind schuld, dass sich Erdoǧan so entwickelt hat, sondern Erdoǧan hat das von sich aus angestrebt. Wir haben immer gesagt: Kooperation mit der Türkei, selbstverständlich, aber nicht ein vollwertiges Mitglied der EU.

In Wirklichkeit ist das, was Erdoǧan jetzt gerade versucht, ein Anknüpfen an die alte osmanische Macht, da die Türken ja über ziemlich weite Teile Syriens, des Iraks et cetera geherrscht haben. Diese Einflusssphäre möchte er offensichtlich wieder erweitern, dann sind wir wieder im 19. Jahrhundert gelandet, wobei ja Erdoǧan mit seiner Art der Politik für mich eher so im 15./16. Jahrhundert gelandet ist. Und das ist etwas, was sich mit Europa und mit der Europäischen Union überhaupt nicht verträgt. Daher ist auch dem ein Kapitel gewidmet und es ist richtig, die Beitrittsverhandlungen – wie wir immer gesagt haben – auszusetzen – das hat auch Bundeskanzler Kurz ge­sagt, sie werden ausgesetzt –, aber auch die neuen Verhandlungen über eine Zoll­union.

Das alles sind richtige Dinge. Auch wenn unsere Außenministerin richtigerweise den Kontakt zu den türkischen Vertretern gesucht hat, um mit ihnen wieder in einen Dialog einzutreten, ist aber trotzdem klar, dass man Grenzen setzen muss. Man muss sagen: Bis hier her und nicht weiter! Da können wir einfach nicht mehr mit und da muss sich die andere Seite auch einmal bewegen. Es kann nur dann funktionieren, wenn beide aufeinander zugehen.

So gesehen gratuliere ich dem Außenministerium zu diesem ausgezeichneten Arbeits­programm, bedanke mich für die Arbeit, die auch damit verbunden ist, und wir werden diesen Bericht gerne zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)

14.54

Präsident Reinhard Todt: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gregor Hammerl. Ich erteile es ihm.