15.46.14

Bundesrat David Stögmüller (Grüne, Oberösterreich) (ein T-Shirt mit der Aufschrift „Diese Bundesregierung schädigt Ihre Lunge.“ tragend): Wertes Präsidium! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Gesundheitsministerin! Heute ist ein ganz, ganz dunkler Tag in der Geschichte der österreichischen Gesundheitspolitik. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.) Heute entscheidet die Mehrheit in diesem Parlament endgültig, dass Menschen da draußen weiterhin aufgrund von Tabakrauchen sterben werden. (Bundesrat Bernard: Ja so was! – Bundesrätin Mühlwerth: Da sterbe ich eher, wenn du redest!) Es ist ganz ehrlich eine Schande, was heute im Bundesrat passiert, denn eigentlich sollte es Ihre Aufgabe als Gesundheitsministerin sein, die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher zu stärken und sie nicht noch mehr in eine Suchtabhängigkeit zu drängen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie, Frau Ministerin, wirklich voll und ganz hinter diesem Antrag stehen, auch nicht aus sozialökonomischer Sicht. Sie wissen, dass Österreich trauriger Spitzenreiter in Europa ist, wenn es um die meisten jugendlichen Raucher geht. 77 Prozent der Raucherinnen und Raucher sind bereits mit 18 Jahren regelmäßige KonsumentInnen. 77 Prozent!

24 Prozent der ÖsterreicherInnen greifen täglich zur Zigarette, im OECD-Durchschnitt sind es knapp einmal 18 Prozent. In den meisten Ländern Europas sinkt diese Zahl, nur in Österreich stagniert sie seit Jahren auf einem sehr hohen Niveau. Im Jahr 2000 waren es europaweit noch 25 Prozent, 2015 nur mehr 18,4 Prozent. Man sieht eine Abnahme der Zahl der RaucherInnen. In Österreich liegt der Anteil, wie schon erwähnt, seit Jahren bei 24 Prozent. Das zeigt, dass die Maßnahmen, die Österreich gesetzt hat, wenn man in den letzten Jahren überhaupt von Maßnahmen sprechen kann, überhaupt nicht gegriffen haben. Das gehört zu meiner Kritik.

Es braucht ein Gesamtpaket, um einen wirklichen Erfolg in der Tabakprävention zu erzielen. Das betrifft zum einen den NichtraucherInnenschutz und zum anderen die Prävention bei Jugendlichen. Beides wird in Österreich schon seit Jahren verabsäumt und dank FPÖ und ÖVP jetzt abgesagt. (Zwischenruf des Bundesrates Steiner.) Jugendschutz soll uns allen hier wirklich ein großes Anliegen sein, und ich zitiere den Zigarettenhersteller Philip Morris: „Die Kinder von heute sind die potenziellen Kunden von morgen [...].“ – Genau das beschreibt die Verkaufsstrategie der Zigaretten­her­steller perfekt.

Ziel dieser Milliardenkonzerne – und das sind sie – ist, dass die Jugendlichen und die Kinder Rauchen als cool oder zumindest als normal zum Alltag gehörend empfinden. Genau hier würde der generelle Nichtraucherschutz greifen, denn Suchtprävention für Kinder und Jugendliche muss bei den Erwachsenen ansetzen. Es sind wir Erwach­sene, die die Gesellschaftsnormen vorgeben und leben.

Wenn wir es als normal vorleben, dass in Wirtshäusern, in Restaurants, bei Sport­veranstaltungen, in Kinos und sonst irgendwo überhaupt geraucht wird, dann sind wir schlechte Vorbilder. Wir sind schlechte Vorbilder für unsere Kinder und Jugendlichen. (Bundesrat Spanring: Aber Kiffen ist gut!) Hier hätte der Gesetzgeber wirklich einen Hebel in der Hand gehabt und ein sinnvolles Gesetz verabschieden können. Wir hätten hier einen wirkungsvollen Hebel, Menschenleben nachhaltig zu verbessern, Leben zu retten oder, wenn Sie es so wollen, auch Geld bei den Behandlungskosten zu sparen. Genau das haben Sie ja studiert, genau das wäre es, Sie müssten es ja wissen.

Leider wird das aufgrund von Parteiengstirnigkeit abgeblasen. Ich verstehe das genau­so wenig wie die mehr als 591 000 Menschen, die das Nichtrauchervolksbegehren unterschrieben haben, denn Studien aus anderen Ländern zeigen klar auf, dass das Rauchverbot in der Gastronomie dazu führen kann, dass auch zu Hause weniger geraucht wird. Selten ist etwas so gut bewiesen und belegt worden wie die positive Wirkung des Nichtraucherschutzes auf die Bevölkerung.

Alleine die Zahlen, Frau Ministerin: 14 000 Menschen sterben jährlich in Österreich an den Folgen der Nikotinsucht. Knapp jeder vierte männliche und jede fünfte weibliche Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren raucht täglich, also knapp 24 Prozent der Teenager in Österreich.

Jeder fünfte Jugendliche ist bei sich zu Hause Tabakrauch ausgesetzt – jeder fünfte Jugendliche! Zwei bis drei ÖsterreicherInnen sterben täglich durch Passivrauchen. Durchschnittlich sterben in Österreich mehr als 1 000 Menschen im Jahr aufgrund von Passivrauchen, mehr als im Straßenverkehr. Und eines, sehr geehrte Damen und Herren, muss uns allen klar sein: Rauchen tötet! Das kann man sich auch nicht schön­reden: Es tötet! Die gesetzliche Regelung – und das ist wichtig – muss sich immer am Potenzial der Gefährdung und der Schädigung orientieren, nicht nur an Parteipro­grammen. Das wäre eigentlich unsere Verantwortung, die wir als Politiker hätten.

Mein politischer Ansatz ist, dass jeder Mensch in seinem persönlichen Umfeld tun und lassen soll, was er will – kein Problem –, solange er niemand anderen gefährdet. Das wäre ja eigentlich auch immer wieder der freiheitliche Gedanke gewesen: man soll tun und lassen, was man will; aber mir ist wichtig, dass wir niemand anderen gefährden. Ich will niemandem das Rauchen verbieten, nein, ganz und gar nicht. Es ist jedem sein eigenes Ding, was er machen will und wie er sich schädigen will oder was ihm Spaß macht. (Bundesrat Raml: Der Herr Bundespräsident!) Es darf aber nicht sein, dass sich Kinder, Jugendliche oder andere Erwachsene, wie zum Beispiel Arbeitnehme­rinnen oder Arbeitnehmer oder ältere Menschen, dieser Gefahr aussetzen müssen.

Das Kippen des Rauchverbots schadet der Jugend, der Gesundheit und auch massiv der Prävention. Da muss diese Regierung und da müssen Sie, Frau Ministerin, hin­nehmen, dass Sie als Gesundheitsministerin gegen die Gesundheit der Menschen agieren. Ich weiß, Sie werden in ein paar Minuten bei Ihrer Rede sagen, man habe zwar das Rauchverbot gekippt, aber man verstärke immerhin den Schutz der Jugend vor Tabak und man setze auf Verhaltensprävention.

Ich bin voll bei Ihnen und begrüße wirklich diese Maßnahme, das Anheben des Jugendschutzalters betreffend Tabak auf 18 Jahre, aber das ist jetzt wirklich keine Neuerung. Sie wissen, dass das mit der damaligen Jugendministerin Karmasin bereits im Bundesrat diskutiert worden ist, dass bereits angekündigt worden ist, dass das die­sen Sommer passieren wird. Das ist keine Errungenschaft von Ihnen, sondern es wurde auch in der Landesjugendkonferenz bereits letztes Jahr beschlossen und mitgeteilt. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist ja uninteressant!) Das alleine wird es aber leider nicht bringen, und das wissen Sie auch, denn starke präventive Wirkung hat die Anhebung des Jugendschutzalters betreffend Tabak nur in jenen Ländern gezeigt, wo auch rauchfreie Gastronomie eingeführt und die Tabaksteuer deutlich angehoben wurde.

Großbritannien ist ein gutes Beispiel. Das britische Parlament hat 2007 das Rauch­verbot ohne Fraktionszwang eingeführt – da hat also jeder Abgeordnete frei wählen können, ohne dass man die eigene Fraktion vertritt –, und 2017 wurde das Alter von 16 auf 18 Jahre erhöht. Bei den 16- bis 17-Jährigen ist der Raucheranteil um 30 Prozent gesunken und bei den 11- bis 15-Jährigen wurde der Raucheranteil sogar signifikant um 33 Prozent vermindert. Sogar England mit einer wirklich großen Bar- und Pubkultur entschied sich ganz bewusst für den NichtraucherInnenschutz. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!)

Bevor ich zum Thema Präventionsmaßnahmen komme, muss ich noch schnell dieses heutige Gesetz auch bildlich beschreiben: In Zukunft darf der 16-jährige David keine Zigarette mehr rauchen – so weit, so gut. (Bundesrat Mayer: Aber Kiffen!) Er darf aber den ganzen Tag im Raucherlokal, wo er gerade eine Lehre als Kellner begonnen hat, diesen Sog von den Kundinnen und Kunden einatmen – kein Problem, acht Stunden lang Passivrauchen pur! (Bundesrat Rösch: Das ist unwahr! Das ist Unsinn! Keine Ahnung, der Mensch!) Beim Abholen müssen Davids Eltern dann aber aufpassen, denn im Auto darf David keinem Tabakrauch ausgesetzt werden. – Das Ganze ist absurd! (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.)

Jetzt zum Thema Präventionsmaßnahmen: Zurzeit geben wir gerade einmal 1 Prozent des Gesundheitsbudgets für Prävention aus. Da wird an der falschen Stelle gespart. Prävention muss bereits in der Elementarpädagogik anfangen. Es braucht ein umfassendes Programm, wo Suchtprävention stattfindet, aber auch Umgang mit Konflikten, mit emotionalen Belastungen und Stress thematisiert wird. Auch das Raucher­kammerl für die PädagogInnen, das es vereinzelt noch in Schulen gibt, hat definitiv keine Vorbildwirkung für unsere Kinder und jungen Menschen in den Schulen.

Es stellt sich aber auch prinzipiell die Frage, ob dieses Gesundheitsministerium nicht schon seine Kompetenz und Glaubwürdigkeit verloren hat. Ich weiß zum Beispiel von der Österreichischen Arge Suchtvorbeugung, die ein Zusammenschluss aller neun Fachstellen für Suchtprävention der Länder ist, dass sie aufgrund der aktuellen Entwicklungen – und da spricht die Arge ganz bewusst Ihre Gesundheitspolitik an, Frau Ministerin – keine Verhaltensprävention als Begleitmaßnahme zum Jugendschutz umsetzen wollen. (Bundesrätin Mühlwerth: Deine Gesundheitspolitik ist vollkommen daneben, wenn du für die Freigabe von Haschisch bist! Das ist ja viel gesünder!)

Ich zitiere daraus: „Prävention und Jugendschutz dürfen nicht das Feigenblatt der Politik sein. Wir lassen uns nicht vor den Karren spannen, um das Kippen des Rauch­verbots nicht ganz so negativ aussehen zu lassen. Denn es ist und bleibt aus Sicht der Suchtprävention negativ, was die Regierung hier vorhat.“ – Das ist ein Zitat aus einer Presseaussendung der Österreichischen Arge Suchtvorbeugung, dem Zusammen­schluss aller neun österreichischen Fachstellen für Suchtprävention. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist heuchlerisch!)

Ja, Frau Ministerin, diese Bundesregierung hat Schuld daran, dass wir weiterhin auf Platz 34 von 34 in Europa im Bereich des Nichtraucherschutzes und der Tabak­prävention sein werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Das haben wir vorher auch schon gehabt!) Diese Bundesregierung hat Schuld daran, dass wir in der internationalen Presse als Ashtray of Europe, als Aschenbecher Europas bezeichnet werden. Daran sind Sie schuld. Die Bundesregierung hat Schuld daran, dass Jugendliche es weiterhin als cool und normal ansehen, dass geraucht wird. (Bundesrat Rösch: Um Himmels willen! Was ist das für ein Theater?) Diese Bundesregierung hat Schuld daran, dass auch weiterhin so viele Menschen an den Folgen des Passivrauchens sterben und auch weiterhin so viele Menschen aktiv zu Zigaretten greifen.

Es ist traurig, dass Sie als Gesundheitsministerin so in die österreichische Geschichte eingehen werden. Ich hoffe, Sie werden an die 1 000 Familien denken, die jährlich eine Mutter, einen Vater, Oma oder Opa oder einen anderen geliebten Menschen durch die Folgen von Passivrauchen verlieren. (Bundesrat Rösch: Herr Kollege!) Diese Regie­rung hätte es in der Hand gehabt, diese Zahl zu reduzieren. Das Ganze heute ist sehr, sehr traurig. – Vielen Dank. (Beifall der Bundesrätinnen Dziedzic und Reiter sowie bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Ecker. – Bundesrätin Mühlwerth: Zieh das Leiberl wieder aus! Das stimmt nicht!)

15.56

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Robert Seeber. – Bitte.

Ich darf dich darauf hinweisen, dass die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes um 16 Uhr unterbrochen wird. Das heißt, dass du dich entweder tummeln musst oder ich dich unterbrechen muss.