16.02.45

Bundesrätin Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die österreichische Schienen­infrastruktur war schon einmal Gegenstand einer Anfrage hier im Parlament, hier im Bundesrat. Es wurde nämlich von Bundesrat René Pfister, Kolleginnen und Kollegen eine Anfrage gestellt betreffend - - (Bundesrätin Mühlwerth: Na das war schon vorher Gegenstand ...!) – Können Sie sich bitte ein bisschen im Zaum halten, damit ich die Anfrage erläutern kann, Frau Kollegin Mühlwerth?! (Bundesrätin Mühlwerth: Ich sag’s nur!) Kollege Pfister hat eine Anfrage betreffend „Auswirkungen des Regierungs­pro­gramms auf die Bundesländer“ gestellt. Diese haben Sie am 22. Februar wie folgt für das Bundesland Steiermark beantwortet:

„Im Bereich der Schieneninfrastruktur stellt das Zielnetz 2025+ die langfristige, bundes­länderübergreifende Planungsgrundlage dar. Es enthält konkrete verkehrspolitische Maßnahmen und etappenweise Umsetzungspläne zur Zielerreichung. Im Regierungs­programm 2017-2022 ist eine Weiterentwicklung des Zielnetz 2025+ vorgesehen. Das Zielnetz 2025+ wird schrittweise durch sechsjährige Investitionsprogramme (ÖBB-Rahmenpläne) umgesetzt, die“ – und das ist der entscheidende Punkt – „in der Regel jährlich fortgeschrieben werden.“

Sie haben dann auch einen Passus hineingenommen, dass nämlich das Ganze im Zuge der Budgetbeschlüsse noch finalisiert wird. Diese scheinen Ihnen jetzt irgendwo zum Verhängnis geworden zu sein, denn in der Anfragebeantwortung war von Kür­zungen, wie gesagt, keine Rede. Nun erfahren wir aber aus verschiedenen medialen Quellen – in der „Kleinen Zeitung“ wurde darüber ausführlich berichtet –, dass Sie nun als Verkehrsminister die Fertigstellung des Koralmtunnels um bis zu zwei Jahre verschieben lassen. (Bundesrätin Mühlwerth: Das sind natürlich verlässliche Quellen!) Ursprünglich war die Inbetriebnahme für Dezember 2024 geplant gewesen; diese soll nun bis 2026 hinausgeschoben werden.

Wenn es um den Koralmtunnel geht, ist natürlich auch einiges dazu zu sagen: Es handelt sich da um einen 33 Kilometer langen zweiröhrigen Tunnel, der eine ganz zentrale Bedeutung für die Infrastruktur Österreichs, aber insgesamt auch für die Infra­struktur Europas hat, denn er stellt einen ganz wichtigen Bauabschnitt auf der Baltisch-Adriatischen Achse dar und verkürzt die Wegstrecken zwischen den Landes­hauptstädten Klagenfurt und Graz. (Bundesrätin Mühlwerth: Hätte der nicht schon heuer fertig sein sollen unter dem SPÖ-Verkehrsminister? – Bundesrat Rösch: Das ist wie das Krankenhaus Nord! Da hätte die SPÖ ihr Wahlversprechen einhalten sollen!)

Das ist von entscheidender Bedeutung für den Personenverkehr, aber vor allem auch für den Gütertransport und soll natürlich auch einen Beitrag dazu leisten, dass Güter verstärkt auf der Schiene transportiert werden. Österreich ist nämlich extrem transit­belastet, und wir sind ein Exportland. Gerade im Süden Österreichs haben wir den Autocluster, haben wir Schwerindustrie, in der Obersteiermark, in Leoben, in Kapfen­berg und so weiter, und da geht es eben darum, die Güter wirklich umweltfreundlich und auch entsprechend freundlich für die Anrainer/Anrainerinnen auf der Schiene transportieren zu können, und eben darum, diese Achsen auch zu schließen. Wenn es Verzögerungen gibt, dann ist das ein immenser Schaden für die Lebensqualität der Bevölkerung, ein immenser Schaden für die Wirtschaft insgesamt, aber natürlich ganz besonders für die Wirtschaft in den angrenzenden Regionen.

Dazu möchte ich den weststeirischen Unternehmer Manfred Kainz zitieren; er ist den ÖVP-Kolleginnen und -Kollegen ja bestens bekannt, er ist für sie nämlich im Landtag gesessen. Er sagt ganz deutlich:

„Wir fordern die Beibehaltung des bisherigen Fahrplans, sonst droht der Wirtschaft hier ein enormer Schaden.“ Die Verschiebung stelle viele Business- und Investitionspläne auf den Kopf, und „Unternehmen brauchen Planungssicherheit.“

Er zitiert auch einen Unternehmer, der vorgehabt hat, in der Region Weststeiermark in der Nähe des Bahnhofes ein Headquarter zu errichten und damit 200 Arbeitsplätze zu schaffen. Und wenn wir als Standort ein unzuverlässiges Bild abgeben, dann ist dieser klarerweise weg. Das kann sich kein Unternehmer, keine Unternehmerin leisten.

Ähnlich wird auch auf der Kärntner Seite argumentiert; meine Kolleginnen und Kolle­gen aus Kärnten werden dazu noch Stellung nehmen.

Wir wissen, 90 Prozent des Bauvorhabens sind bereits fertiggestellt, und viele weitere Infrastrukturmaßnahmen im Verkehrsbereich sind genau auf diesen Plan abgestimmt. Folgeinvestitionen werden getätigt, die eben genau auf diesen Plan, der kommuniziert wurde, abgestimmt werden. Es gibt Berechnungen, wonach der Standortnutzen für die gesamte Koralmbahn rund 250 Millionen Euro pro Jahr beträgt. Dementsprechend groß sind natürlich auch die Verluste speziell für Steiermark und Kärnten, wenn es zu Verzögerungen kommt. Das muss auch bei den Folgekosten berücksichtigt werden.

Dazu kommen noch die arbeitsmarktpolitischen Folgen. 1 300 Personen sind bei diesem Großprojekt beschäftigt, 800 unmittelbar beim Koralmtunnel. Es sind also auch Arbeitsplätze bedroht, wenn Baulose verspätet ausgeschrieben werden. (Bundesrat Krusche: Nein, länger gesichert!) Wir wissen auch: Je länger die Bauphase insgesamt dauert, desto höher werden auch die Kosten. Das wissen wir von privaten Bau­pro­jekten. (Bundesrat Samt: Das weiß die SPÖ ganz genau!) – Hoffentlich wissen Sie das, Herr Kollege Samt, Sie sind ja vom Fach! Umso unverständlicher ist es, dass Sie diese Dinge so teilnahmslos hinnehmen.

Diejenigen, die am besten wissen müssen, wie es um die geologischen Bedingungen steht, nämlich die ÖBB-Verantwortlichen, waren sehr überrascht über die plötzliche Ankündigung aus dem Ministerbüro, dass es zu einer zeitlichen Verschiebung von bis zu zwei Jahren kommen soll. Sie konnten das überhaupt nicht nachvollziehen. Es war bekannt, dass es geologische Schwierigkeiten gibt. Diese Tunnelvortriebsmaschinen, die von Kindern liebevoll Mauli 1 und Mauli 2 benannt wurden, sind im Sommer letzten Jahres einmal stecken geblieben. Das war, und das wurde von den ÖBB-Verant­wortlichen auch sofort mitgeteilt, im Gesamtbauplan und im Zeitplan auch einkalkuliert und ist jetzt kein Grund für eine Verschiebung. Nun waren alle völlig überrascht, als plötzlich aus dem politischen Büro die Nachricht kam, dass es zu einer Bauzeit­ver­zögerung kommen soll.

Überrascht war man auch im Büro des Kärntner Landeshauptmannes, der dazu eine entsprechende Stellungnahme abgegeben hat, dass nämlich die geologischen Prob­leme auch Grundlage dafür waren, dass die Inbetriebnahme mit einem Zeitpuffer versehen war. Da wird auch die Annahme aufgestellt, dass die Verschiebung lediglich die Wiedergabe der budgetären Kürzungen ist und eben nichts mit den geologischen Gegebenheiten zu tun hat; wie gesagt, die waren einkalkuliert. Hier geht es offen­sichtlich um die Verteilung der budgetären Vorgaben. Es wäre ganz wichtig, das auch so zu artikulieren beziehungsweise ganz klar zu sagen, was Sache ist, damit man sich das in der Öffentlichkeit nicht irgendwie aus Medienberichten zusammenreimen muss.

Ich habe in der Anfrage geschrieben, dass in der Öffentlichkeit ein Papier kursiert, das nun im Bereich der Schieneninfrastruktur Einsparungen von 1,8 Milliarden Euro in ganz Österreich in Aussicht stellt. Nun ist vor ein paar Minuten ein Rahmenplan herein­geflattert, gemeinsam mit anderen Unterlagen und Berichten aus Ihrem Haus – spät aber doch, muss ich dazu sagen –, und in der kurzen Zeit konnte man sich zwar nur einen Überblick verschaffen, aber schon erkennen, dass eigentlich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt werden, denn hier ist jetzt von Einsparungen im Bereich der Schieneninfrastruktur im Umfang von 2 Milliarden Euro die Rede. Das ist besonders zukunftsvergessen, würde ich sagen, weil wir doch wissen, dass Investitionen in die Schieneninfrastruktur einen Kosten-Nutzen-Quotienten von 1,2 bis 1,3 alleine in der Bauphase aufweisen. Das heißt, pro investierten Euro entsteht ein Nutzen von 1,2 Euro beziehungsweise 1,3 Euro.

Wie gesagt, bei der Koralmbahn glauben Sie, die geologischen Gegebenheiten als argumentativen Anker gefunden zu haben, aber wie erklären Sie andere Einsparungs­maßnahmen? Ich würde Sie dringend ersuchen – deshalb die Dringliche Anfrage –: Erläutern Sie ganz klar und deutlich, wo Sie Einsparungen vornehmen wollen, die einzelnen Maßnahmen, die zeitliche Dimension, auf Bundesländer aufgeschlüsselt, welche Kostendifferenz sich daraus ergibt! Erklären Sie bitte auch die Sinnhaftigkeit der einzelnen Maßnahmen! Bitte erklären Sie uns, wo im Bereich der Sicherheit Sie vorhaben, zu sparen, wo im Bereich der Qualität! Irgendwo müssen die 2 Milliar­den Euro ja herkommen. Sagen Sie bitte ganz deutlich, welches Projekt, in welchem Bundesland, in welcher Region, sagen Sie, was Sie konkret vorhaben! Das wäre ganz, ganz wichtig, um den Menschen Klarheit und Planungssicherheit zu geben.

Wir als Parlament haben natürlich ein besonders gesteigertes Interesse daran, ganz genau zu wissen, was Sie vorhaben. Wir haben nicht nur ein Interesse daran, wir haben auch ein Recht darauf, immerhin hat das Parlament die Budgethoheit. Es geht darum, eine klare Entscheidungsgrundlage zu haben, und natürlich auch darum, dass die Öffentlichkeit ganz offen informiert wird und diese Informationen nicht zizerlweise zusammentragen muss. Im Moment ist es nämlich so: Hier steht etwas in irgendeiner Zeitung, dort wird ein Hintergrundgespräch geführt, und um zu wissen, wie es in Öster­reich weitergeht, muss man das wie ein Puzzle zusammenstellen. So kann es einfach nicht sein!

Ich ersuche Sie daher wirklich, dass Sie den Österreicherinnen und Österreichern – Sie sind Burgenländer, Herr Minister – reinen Wein einschenken. Ich ersuche Sie auch – angesichts der widersprüchlichen Äußerungen, die von ÖBB-Verantwortlichen und von Ihnen gemacht worden sind, beziehungsweise angesichts von Äußerungen, die aus Ihrem politischen Umfeld, aus dem politischen Büro, aus dem Ministerium gekommen sind –, aufzuklären, wie es denn wirklich um die Koralmbahn bestellt ist.

Dazu werden natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen noch einige Fragen an Sie haben, aber ich ersuche Sie, vorerst wirklich auf diese 26 Fragen einzugehen. Dieses Konvolut, das Sie uns vor Kurzem übermittelt haben, schafft nicht ganz Klarheit darüber, was konkret gemeint ist. (Bundesrätin Mühlwerth: Ich habe gar nichts gekriegt!) Ich ersuche Sie um entsprechende Erläuterungen und darum, dass Sie wirklich ganz klar Priorität auf die Schieneninfrastruktur legen und für Klarheit und Transparenz in der Politik sorgen.

Mein Ersuchen nochmals: Schenken Sie den Österreicherinnen und Österreichern und hier im Parlament natürlich den Abgeordneten reinen Wein ein! – Danke für Ihre Auf­merk­­samkeit. (Beifall bei der SPÖ und bei BundesrätInnen ohne Fraktionszuge­hörig­keit.)

16.17

Vizepräsident Dr. Magnus Brunner, LL.M.: Zur Beantwortung hat sich Herr Bun­desminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Norbert Hofer zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm. – Bitte schön.